Blog 0004 - Kirchliche Fragen und geltendes Recht - RA Dr. Roman Schiessler

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Blog 0004 - Kirchliche Fragen und geltendes Recht

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Kirchliche Fragen und geltendes Recht

In vielen Diskussionen im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen erschöpfen sich diese auf innerkirchliche Problemstellungen.
 
Klassisches Beispiel hierfür ist der Zölibat in der katholischen Kirche und seine mögliche bzw. vermeintliche Ursächlichkeit für die Missbrauchsfälle in dieser.

Dazu ist anzumerken, daß Religiöses und die damit verbunden Lebens- und Verhaltensweisen Entscheidungen des privaten Lebens des jeweils Einzelnen sind und in keinem Zusammenhang mit dem staatlichen Recht stehen bzw. gar eine rechtliche Relevanz besitzen. Schon gar nicht sind sie als Entschuldigungs- oder sogar Rechtsfertigungsgründe anzusehen im Sinne des Straf- oder des Zivilrechts.
 
Die Rechtslage ist eindeutig und in der Verfassung verankert:
 
Art. 14 StGG

Die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit ist Jedermann gewährleistet.
 
Der Genuß der bürgerlichen und politischen Rechte ist von dem Religionsbekenntnisse unabhängig; doch darf den staatsbürgerlichen Pflichten durch das Religionsbekenntniß kein Abbruch geschehen.
 
Niemand kann zu einer kirchlichen Handlung oder zur Theilnahme an einer kirchlichen Feierlichkeit gezwungen werden, in sofern er nicht der nach dem Gesetze hiezu berechtigten Gewalt eines Anderen untersteht.
 
Art. 15 StGG

Jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft hat das Recht der gemeinsamen öffentlichen Religionsübung, ordnet und verwaltet ihre inneren Angelegenheiten selbständig, bleibt im Besitze und Genusse ihrer für Cultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeitszwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonde, ist aber, wie jede Gesellschaft, den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen.
 
Jeder einzelne im Rahmen seiner Glaubens- und Gewissensfreiheit und auch jede gesetzlich anerkannte Religionsgesellschaft ist an die allgemeinen staatlichen Gesetze gebunden bzw. hat jeder seine Pflichten als Staatsbürger zu erfüllen. Dazu zählt insbesondere die Einhaltung des Strafrechts.
 
In diesem Zusammenhang ist auch auf § 80 StPO, dem Anzeige- und Anhalterecht jedes einzelnen hinzuweisen, eine Befugnis, welche sich in Religionsgesellschaften, insbesondere wenn es sich um eigene Religionsangehörige undFunktionäre bzw. Kleriker handelt, noch nicht herumgesprochen haben dürfte. Auf die Vorgängerbestimmungen wird verwiesen.
 
Sonderrechte bzw. Sonderstellungen gibt es hier nicht. Auch alle anderen Grundrechte normieren keine Sonderregelungen diesbezüglich und verweisen darauf, daß staatliches Recht immer gilt und vorrangig zu beachten ist. (vgl. Die „allgemeine“ Wehrpflicht - Ein Privileg der Kleriker)
 
Dies ist insbesondere auch aus der Sicht der Missbrauchsopfer zu verstehen, welche wohl am wenigsten Verständnis für eine solche Sonderstellung hätten. Straftaten zu begehen und dann hierfür die Verantwortung nicht wahrzunehmen hat keine rechtliche oder gar grundrechtliche Deckung.
 
Umso befremdlicher ist es, daß insbesondere die öffentlichen Debatten - auch die konkret politischen - primär Innerkirchliches behandeln und die allgemeine rechtliche Situation der Opfer außer Acht lassen. Den hier anstehenden Fragen des Zivilrechts, des Strafrechts und insbesondere des Völkerrechts, dem eigentlichen Quell aller kirchlichen Privilegien, wird hier kein Augenmerk geschenkt. Die ist eine Situation, welche sich umgehend ändern muß.
 
Wien, am 01.03.2019
RA Dr. Roman Schiessler
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