Blog 0020 - Notre Dame und sexueller Mißbrauch - RA Dr. Roman Schiessler

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Blog 0020 - Notre Dame und sexueller Mißbrauch

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Notre Dame und sexueller Mißbrauch

Am 15.04.2019, ist in Paris die Kathedrale Notre Dame de Paris abgebrannt. Es handelt sich dabei um einen Sakralbau, welche beginnend im 12. Jahrhundert über rund 2 Jahrhunderte errichtet worden ist.

Festzuhalten ist Folgendes:

Bei diesem Brand wurde kein einziger Mensch verletzt oder gar getötet, jedenfalls ist den Medienberichten nichts davon zu entnehmen. Beschädigt wurde altes Gemäuer und ein alter Dachstuhl ist abgebrannt und in der Folge eingestürzt.
 
Ein Dachstuhl der offenbar schon längst hätte erneuet oder renoviert werden müssen. Der Brand wurde offenbar verursacht durch Schweißarbeiten, welche den völlig ausgetrockneten und auch schon morschen Dachstuhl entfacht haben. Insgesamt ist es also eine Ansammlung diverser Schlampereien und Nachlässigkeiten, welche zu diesem Brand geführten. Es ist nicht einmal im Ansatz ein vorsätzliches Handeln derzeit irgendwo feststellbar.
 
Im Gegensatz dazu kam und kommt es in der katholischen Kirche zu massenhaften sexuellen Mißbräuchen an Minderjährigen, zu Sexualverbrechen ohne Ende, welche die Betroffenen dadurch ein Leben lang zeichnet. Es handelt sich hierbei um Vorsatztaten, welche hinsichtlich ihrer Gerichtszuständigkeit in den oberen Bereich der Schöffengerichtsbarkeit fallen. Wenn man die Selbstmorde, welche ebenfalls geschehen sind, auch noch berücksichtigt, kommt sogar zu einer Zuständigkeit des Geschworenengerichts, bzw. überhaupt zu anderen Tatbeständen  (§ 75 StGB) und nicht zu§ 206 ff StGB.
 
Man kann jetzt schon sagen, daß beim Wiederaufbau des alten Mauerwerks bzw. Dachstuhls Milliarden fließen werden. Bei der Klasnic-Kommission sind es bislang bei 2022 „positiv“ entschiedenen Fällen rund 27 Mio. Euro. Es werden in Paris Gerichtsverfahren stattfinden um die Schuldigen zu finden und um vielleicht Versicherungsfragen abzuklären. Es wird jedenfalls schon allein wegen der Kosten diesbezüglich ein enormer Aufwand getrieben werden. Mit Gesten oder einer Symbolik, wie bei der Klasnic-Kommission, also einem symbolischen Wiederaufbau, wird man sich hier nicht zufrieden geben.
 
Nur zu Erinnerung:  Wie viele Gerichtsverfahren gab und gibt es im Zusammenhang mit dem Mißbrauch von Minderjährigen? Man braucht die Zahl nicht zu erwähnen, man kann sie getrost vernachlässigen, jedenfalls ist sie beschämend gering. Gezahlt werden durch die Klasnic-Kommission nur symbolische Beträge, welche mit dem Schadenersatzrecht nichts zu tun haben. Man spricht daher auch von Gesten.
 
Beschämend ist es auch anzusehen, wie Menschen beim Brand des alten Dachstuhles betend diese „Katastrophe“ begleiten. Es erhebt sich die Frage, ob sie auch für die beten, welche beim Bau dieses Gebäudes direkt ums Leben gekommen sind. Sie werden wahrscheinlich keinen Gedanken an diese Menschen verschwenden, genauso so wenig, wie sie einen Gedanken an die Mißbrauchsopfer verschwenden werden bzw. verschwenden.
 
Gedanken wird man sich aber auch sicherlich machen, welche Gesetzesänderungen bzw. –verschärfungen es braucht, um solche „Brand-Katastrophen“ in Hinkunft zu verhindern. Jede dafür notwendige gesetzliche Vorkehrung wird geschaffen werden. Bei der Verjährungsfrage in Bezug auf den sexuellen Mißbrauch von Minderjährigen hingegen wird dann aber immer noch keine entsprechende rechtliche Regelung gefunden bzw. geschaffen haben. Auf ein Agieren des Gesetzgebers wird man weiter  warten.
 
Vor allem wird wieder die Mär verbreitet werden, daß man der Kirche helfen muß, da sie kein Geld hat, um sich selbst zu helfen. Es wird interessant zu beobachten sein, welche Eigenmittel die Kirche selbst willig ist bereitzustellen um eine Kathedrale, welche eine der bedeutendsten katholischen Kirchen ist, wieder herzustellen.
 
Man kann aber jetzt schon davon ausgehen, daß kein Wald, kein Acker, oder sonst eine Liegenschaft, welche sich im Eigentum der Kirche befindet, veräußert werden wird. Es wird zu Spendenaufrufen in einem ungeahnten weltweiten Ausmaß kommen um ja nicht eigenes Vermögen angreifen zu müssen. Man wird an die europäische kulturelle Identität appellieren und diese in Gefahr sehen,  an das wertvolle Kulturgut erinnern, welches nunmehr unwiederbringlich verloren zu gehen droht etc. Kein Wort wird dabei aber an die Mißbrauchsopfer verschwendet werden, deren Leben ruiniert wurde und unwiederbringlich verloren ist.
 
Das Fazit wird jedenfalls folgendes sein: Der Kirchenbau wird in der Folge wieder hergestellt werden und auch die Mißbräuche werden weitergehen und dann wieder verjähren, denn man ist ja davon nicht betroffen, das ist man nur dann, wenn alte Balken der Kathedrale Notre Dame de Paris berennend herunterstürzen und der Dachstuhl dieser Kirche zusammenbricht. Sachschäden haben somit, insbesondere bei der katholischen Kirche, einen höheren Stellewert als Personenschäden; eine bemerkenswerte Tatsache.
 
Wien, am 16.04.2019
RA Dr. Roman Schiessler
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