Blog 0006 - Russophobie und Cancel Culture - RA Dr. Roman Schiessler

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Blog 0006 - Russophobie und Cancel Culture

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Russophobie und Cancel Culture

Es ist bemerkenswert zu sehen, mit welcher Konsequenz der sogenannte Westen daran arbeitet, alles Russische aus dem Leben der Menschen im Westen und vielleicht auch sonst in der Welt zu entfernen.
 
Ansätze hierzu waren bereits in der Ukraine vor dem Ausbruch des aktuellen militärischen Konflikts zu sehen, in dem man beispielsweise die russische Sprache in den Schulen nicht mehr unterrichtete und überhaupt die russische Sprache als Unterrichtssprache abschaffte. Man muß sich ernsthaft die Frage stellen, was der Hintergrund solcher Maßnahme ist.
 
Nun hat man auch das kulturelle Schaffen bedeutender historischer russischer Persönlichkeiten im Visier. Werke von Pjotr Iljitsch Tschaikowski (Komponist), Alexander Nikolajewitsch Skrjabin (Komponist und Pianist), Dmitri Dmitrijewitsch Schostakowitsch (Komponist), Igor Fjodorowitsch Strawinski (Dirigent und Komponist), Sergei Wassiljewitsch Rachmaninow (Komponist, Pianist und Dirigent), Fjodor Michailowitsch Dostojewski (Schriftsteller), Anton Pawlowitsch Tschechow (Schriftsteller) und Alexander Sergejewitsch Puschkin (Dichter) zählen zweifellos zum Weltkulturerbe, stehen aber im Westen nicht mehr so hoch im Kurs. Russische Musik, russisches Ballett und russische Literatur hat seinen Stellenwert offenbar verloren. Der sachliche Grund ist zwar nicht ersichtlich, aber das Faktum als solches bleibt bestehen.
 
Man beraubt sich dadurch eines wesentlichen Teils des Weltkulturerbes gleichsam selbst. Es geht hier also um Personen, welche in ihrem Leben etwas geschaffen haben, das von universellem Wert für die Menschheit an sich ist und daher eigentlich von der Entstehung im russischen Kulturkreis abstrahiert zu sehen ist. Es liegt somit ein Fall, ein Akt kultureller Selbstverstümmelung vor, die als solche nicht erkannt wird aber trotzdem so zu sehen ist. Man kann aber es aber schlichtweg auch als Dummheit bezeichnen. Propaganda, Korruption und Vetternwirtschaft bringen eben solche Blüten hervor. Das Gute daran ist, dass sich Regime, die so handeln, in der Regel selbst zu Fall bringen. Daher ist es auch nicht erforderlich darauf besonders zu reagieren, da sich die Sache selbst richten wird. Schweigen und Kopfschütteln reicht in diesem Zusammenhang aus. Schädigt sich jemand selbst ist mit Ausnahme von rechtlichen Sonderbeziehungen niemand verpflichtet, diesen Schaden zu verhindern.
 
Es wirft ferner ein bezeichnendes Licht auch auf das Niveau der Politik, der wir im sogenannten Westen ausgesetzt sind. Es steht dieses Vorgehen in einer Linie mit gender mainstreaming, der freien Wahl des Geschlechts, des sich im freien Fall befindlichen Bildungsniveaus etc. Es ist nur ein weiterer Aspekt des gesellschaftlichen Niedergangs und des kulturellen Verfalls. Man kann auch von einem Niedergang einer Hochkultur sprechen, was wir derzeit erleben.
 
Um diese Tendenzen zu stoppen ist nur wesentlich, dass sich niemand in diesem Sinne instrumentalisieren lässt und seinen kulturellen Veranlagungen und Neigungen weiter unbeirrt nachgeht. Es ist daher auch wichtig, daß man in Russland nicht aufhört die Musik von Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel, Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven etc. zu spielen und sich mit der Literatur, welche dem sogenannten Westen zugeordnet wird, zu befassen. Die Verpflichtung zur Teilnahme an der kulturellen Selbstverstümmelung besteht jedenfalls nicht. Es ist davon auszugehen, dass die genannten historischen Persönlichkeiten des universellen kulturellen Lebens sich im Grabe umdrehen, wüssten sie von solchen Entwicklungen.
 
Als besonders fragwürdige, bereits als kindisch anzusehende Praxis ist aber das Umetikettieren von Künstlern. Der Maler Ilja Jefimowitsch Repin gilt als einer der wesentliche Vertreter des russischen Realismus. Da er zur Zeit des russischen Kaiserreichs in Charkow geboren wurde, gilt er jetzt als ukrainischer Künstler.
 
Diese posthume Identitätsveränderung, geschieht klarerweise ohne die Zustimmung des Betroffen und stellt in der Regel somit auch ein Ignorieren des Willens des jeweiligen Künstlers dar. Man nimmt keine Rücksicht darauf, ob sich nicht vielleicht doch der eine oder andere mit dem historischen Zusammenhang in den er hineingeboren wurde identifizierte und stellt die jetzigen Grenzen und politischen Begehrlichkeiten in den Mittelpunkt der politischen und staatsrechtlichen Zuordnung des Künstlers. Wenn man glaubt, dass dies ein überzeugendes politisches Programm ist, um die Zukunft zu gestalten, irrt man gewaltig. Das Ignorieren der Geschichte war noch nie ein sinnvolles Instrument politischen Handelns.
 
Das alles erinnert auch an Nikola Tesla, der zur Zeit des Kaisertums Österreichs im heutigen Kroatien als Sohn serbischer Eltern geboren wurde. Es darf sich praktisch jeder, ausgehend von den eigenen politischen Begehrlichkeiten aussuchen, wohin dieses Genie nun gehört und wie er zuzuordnen ist. War er Serbe, Kroate oder Österreicher? Der historische staatsrechtliche Zusammenhang überwiegt auch hier und die Antwort ist klar: er war Österreicher, ein technisches Genie und ist als solches Teil des (technischen) Weltkulturerbes. Übrigens wurde seinem Vater durch Kaiser Franz Joseph I. das goldene Verdienstkreuz verliehen. Auch das sollte man bei der Beantwortung der Identitätsfrage nicht ganz vergessen.
 
Es ist geradezu absurd, was gegenwärtige propagandistische Bedürfnislagen an Gedanken und Entwicklungen hervorbringen. Wenn man weitere zukünftige Entwicklungen gedanklich miteinbezieht, kann quasi die Identität eines Menschen mit der Zeit immer wieder geändert werden.  „Normalsterbliche „ sind davon nicht betroffen, deren historische Identität bleibt gleich.
 
Ein weiteres bekanntes Beispiel ist Immanuel Kant. Er wurde 1724 in Königsberg, heute Kaliningrad, geboren. Auch hier kann trefflich gestritten werden. Ist er Preuße oder Russe?
 
Ein weniger angenehmes Beispiel ist Alfred Rosenberg. Geboren 1882 in Tallinn (damals Reval, russisches Kaiserreich) ideologischer Beauftragter der NSDAP. Ist er jetzt Este, Russe oder Deutscher? Auch hier kann man es sich je nach politischer und ideologischer Bedürfnislage aussuchen, wie Alfred Rosenberg zuzuordnen ist. Die Nachfrage wird allerdings gering sein. Er wurde 1946 als Kriegsverbrecher gehenkt.
 
Es macht keinen Sinn, außergewöhnliche Persönlichkeiten aus dem historischen und persönlichen Kontext herauszulösen und es macht auch keine Sinn Weltkulturerbe gleichsam aus dem Gedächtnis zu streichen oder dessen Ursprung neu festzulegen, da es von diesem losgelöst zu betrachten ist, und als solches universell existent bleibt, andernfalls wäre es kein Weltkulturerbe. Diese Form der Propaganda überlebt sich bald, da sie von Personen mit niedrigem intellektuellem Niveau veranlasst wird und nicht zuletzt deswegen getrost ignoriert werden kann.
 
Vielleicht ein Höhepunkt der Russophobie ist dann die 2018 erfolgte Gründung der Orthodoxen Kirche der Ukraine, da man in der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats eine zu starke Einflußnahme Moskaus sah.

Gössendorf, am 17.05.2023
RA Dr. Roman Schiessler
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