Blog 0019 - Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin - RA Dr. Roman Schiessler

Rechtsanwaltskammer
Rechtsanwalt Dr. Roman SCHIESSLER
Direkt zum Seiteninhalt

Blog 0019 - Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin

Blogs >>> > klerikaler Mißbrauch
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin

Gemäß einer Aussendung des ORF vom 04.04.2019 (religion.ORF.at/KAP) ist der Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin in Sorge in Sachen Religionsfreiheit in dieser Welt.
 
Er ist besorgt, da seiner Ansicht nach sogar von einem Angriff auf die Religionsfreiheit gesprochen werden muß. Er äußert sich in diesem Zusammenhang dahingehend, daß es sich hier um ein unveräußerliches Recht bzw. um ein fundamentales Recht handelt. Welchen Inhalt dieses Recht konkret hat und wem es in welchem Ausmaß zusteht, ist in dem Artikel jedenfalls nicht zu lesen. Hier bleibt er, offenbar ganz bewußt,  sehr allgemein.

Gesprochen wird ferner von der Freiheit, von ethischen Prinzipien, welche sich aus der Religionsfreiheit ergeben. Auch hier finden Konkretisierungen nicht statt. Auch ist das allgemeine ethische Niveau im Sinken. Was dies konkret heißen soll, wird auch nicht dargetan.
 
Rechtlich bzw. verfassungsrechtlich ist dazu auszuführen,  daß die Religionsfreiheit in den Artikel 14-16 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger von 1867 (StGG) geregelt ist und im Artikel 9 der EMRK. Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte der UNO – somit auch dessen Art. 18 – steht nicht im Verfassungsrang. Ein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht wird dadurch, durch dies Bestimmung selbst, somit nicht begründet.
 
Inhaltlich muß dazu weiter ausgeführt werden, daß die Religionsfreiheit zwei Seiten besitzt. Es ist erstens die Freiheit von den Religionen, welche geschützt wird - es handelt sich somit um ein Abwehrrecht - und zweitens die Freiheit der Religionen, welche das Ausüben einer Religion sichern soll. Dieses Grundrecht besitzt somit eine passive (negative) und aktive (positive) Seite hinsichtlich seines Schutzbereiches.
 
Der Unterschied ist aber nur ein scheinbarer, denn selbst diejenigen, welche sich als gläubig im Sinne einer Religion- oder Glaubensgemeinschaft bezeichnen, beanspruchen für sich zu allererst das Recht, andere Regionen und Glaubensrichtungen, jedenfalls für sich persönlich, abzulehnen. Somit ist es vor allem die negative Seite der Religionsfreiheit, welche eine entscheidende, weil eine freiheitssichernde Bedeutung besitzt.
 
Es ist aber jedenfalls nicht davon auszugehen, daß der Herr Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin dies so gemeint hat und ober er so verstanden werden wollte.
 
Auch hinsichtlich der angesprochen ethischen Prinzipien kann dem Herrn Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin nicht gefolgt werden. Allein er als ranghoher Krichenfunktionär sollte über den Mißbrauchsskandal dem zig-tausende Minderjährige weltweit zum Opfer gefallen sind und noch immer fallen, Bescheid wissen. Von der mangelnden Bereitschaft der katholischen Kirche dafür Verantwortung zu übernehmen braucht hier gar nicht erst gesprochen werden. Ethisches und verantwortungsbewußtes Handeln sieht jedenfalls anders aus.

Zu allererst fällt aber beim Studium diese Grundrechtskataloge auf, daß es eine Reihe von Grundrechten gibt, welche gleichberechtigt nebeneinander stehen. Rechtlich bzw. verfassungsrechtlich kann nicht festgestellt werden, daß das Grundrecht auf Religionsfreiheit über den anderen Grundrechten steht oder sich sonst irgendwie gegenüber den anderen auszeichnet.

Es ist ferner daher darauf zu verweisen, daß in all den Grundrechtskatalogen, welche existieren, stehen sie nun im Verfassungsrang oder nicht, auch andere Grundrechte normiert sind und somit nicht nur die Religionsfreiheit. Sie sind ein Abbild der menschlichen Existenz und widerspiegeln das Bedürfnis jedes Einzelelen nach einem umfassenden persönlichen und privaten Freiraum, welcher sich nicht nur in der Religionsfreiheit wiederfindet. Das Recht auf Gleichheit der Staatsbürger vor dem Gesetz, die Freiheit des Eigentums, die Erwerbsfreiheit, die Meinungsfreiheit, die Versammlungs- und Vereinsfreiheit, etc. sind ebenso von Bedeutung wie das spirituelle Bedürfnis einzelner.
 
Ein Hierarchie, eine Über- oder Unterordnung von Grundrechten untereinander gibt es ebenfalls nicht.
 
Auch sind diese Grundrechte rechtlich gleich zu interpretieren, und sie normieren insbesondere in ihrer Ausübung einen grundsätzlichen Vorrang des Gesetzgebers, dies abgesehen von einem Kernbereich.
 
Bei all diesen Betrachtungen erhebt sich nun die Frage, wie die Äußerungen des Kardinalstaatssekretärs Pietro Parolin zu verstehen sind?
 
Das Problem dieses Kirchenfunktionärs scheint es zu sein, daß er einen Machtverlust der katholischen Kirche immer mehr zu spüren bekommt und diesen nun so auszugleichen bzw. zu konterkarieren versucht, in dem er das individuelle Grundrecht jedes einzelnen auf Religionsfreiheit dazu benutzt, einen Machtanspruch der Institution Kirche und auch der Religionsgesellschaften insgesamt rechtlich zu begründen bzw. darzustellen.
 
Dem ist insbesondere rechtlich entgegenzuhalten, daß gemäß Art. 14 StGG (vgl. Kirchliche Fragen und geltendes Recht) die Religions- und Gewissenfreiheit jedem einzelnen gewährleistet ist und nicht einer Religionsgesellschaft an sich und daß den gesetzliche anerkannten Religionsgesellschaften selbst im Art. 15 StGG nur die öffentliche Religionsausübung und das Regeln der inneren Angelegenheiten in eigener Verantwortung gestattet bzw. vorbehalten ist. Ansonsten besteht Rechtsunterworfenheit aller Kleriker, so wie bei allen andern natürlichen und juristischen Personen auch.
 
Zulässig ist es jedenfalls nicht gleichsam einen Staat im Staat zu begründen oder sich gar über den Gesetzgeber zu stellen. Daß aber solche Tendenzen jedenfalls teilweise bestehen, kann nicht ernsthaft geleugnet werden. Allein der Mißbrauchsskandal zeigt dies eindeutig, insbesondere anhand der nicht vorhandenen Gerichtsurteile in tausenden von Fällen, welche an sich von der Justiz, somit vom Staat, zu verfolgen gewesen wären.
 
Gerade aber Religionsgesellschaften zeigen immer wieder Bestrebungen das Grundrecht auf Religionsfreiheit zur politischen Tätigkeit zu mißbrauchen und unter diesem scheinbaren rechtlichen Deckmantel geschützt Politik betreiben oder allgemein gültige Regeln aufstellen zu können.
 
Desto wichtiger ist es zu betonen, daß dieses Grundrecht nicht mehr als nur eines von vielen ist, und daß auch das Ablehnen von Religionen und Glaubensgesellschaften Teil dieses verfassungsrechtlich gewährleisten Schutzes für jedermann ist.
 
Auch sind Grundrechte schon von ihrer Struktur her in Bezug auf jeden Menschen unteilbar, stehen somit jedermann gleich zu und können schon aus diesem grundrechtlich allgemeinen Gedanken heraus, keinen Herrschaftsanspruch in irgendeiner Weise begründen.
 
Wien, am 08.04.2019
RA Dr. Roman Schiessler
© Dr. Roman Schiessler (für den Inhalt verantwortlich)
Seitengestaltung F-SOFT
Besucherzaehler
Zurück zum Seiteninhalt