Blog 0014 - Die Naturalobligation - RA Dr. Roman Schiessler

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Blog 0014 - Die Naturalobligation

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Die Naturalobligation
 
Privatrechtlich ist unter einer Naturalobligation bzw. Naturalschuld eine Verpflichtung zu verstehen, welche als solche besteht, also eine Leistungsverpflichtung gegenüber einem andern darstellt, der aber die gerichtliche Durchsetzbarkeit fehlt. Im Verhältnis zu einer Nichtschuld, kann somit das Geleistete in Bezug auf eine Naturalschuld nicht zurückgefordert werden.
 
Der klassische Fall einer Naturalobligation ist eine verjährte Forderung.
 
Zitat: (1Ob123/10k)
 
„Dies ergebe sich schon daraus, dass der Gläubiger einen Rechtsanspruch auf Zahlung einer verjährten Forderung, der Schuldner aber keine Verpflichtung zur Tilgung dieser verjährten Schuld habe. Die Verjährung führe nicht zum Erlöschen des Rechts, sie hindere bloß dessen klageweise Durchsetzung, wenn der Beklagte die Verjährungseinrede erhebt.“
 
Auch Schulden aus Wetten sind im Prinzip nicht anders als Naturalobligationen, also Schulden, welche bezahlt aber gerichtlich nicht gefordert werden können.

Zitat: (§1271 ABGB)
 
„Redliche und sonst erlaubte Wetten sind in so weit verbindlich, als der bedungene Preis nicht bloß versprochen; sondern wirklich entrichtet, oder hinterlegt worden ist. Gerichtlich kann der Preis nicht gefordert werden.“
 
Der Oberste Gerichtshof führt dazu in seiner Judikatur, wie folgt, aus:
 
Zitat: (19Bs31/98)
 
„Naturalobligationen sind zwar "unvollkommene Verbindlichkeiten" bzw. "Schulden ohne Haftung", somit nicht durchsetzbar, dies ändert jedoch nichts daran, daß der Naturalschuldner wirklich schuldet (Koziol/Welser10 I, S 200; Rummel in Rummel**2, § 859 RN 12, Dittrich/Tades34, § 1271 E 1). Die Bezahlung von Wettschulden kann somit - wenngleich nicht gerichtlich - gefordert werden, dies im konkreten Fall - mangels Bestimmung einer gewissen Zeit für die Erfüllung - ohne unnötigen Aufschub (§ 904, 1.Satz, ABGB). Es lagen somit fällige (aber nicht gerichtlich einklagbare) Verbindlichkeiten der Sandra G***** vor, die diese nicht bezahlen konnte, womit - der Rechtsmeinung des Erstrichters zuwider - ihre Zahlungsunfähigkeit nach der Aktenlage objektiv gegeben war.“
 
Zitat: (10Ob504/95)
 
„Daß der Gesetzgeber im § 1271 ABGB redliche und sonst erlaubte Wetten, bei denen der bedungene Preis bloß versprochen wird, nur zu Naturalobligationen erklärt hat, ist dadurch zu erklären, daß er "diese den nützlichen Verkehr nicht fördernden Verträge" nicht (durch die Klagemöglichkeit besonders) schützen und "dem Leichtsinn und der Unbesonnenheit, die sich darin betätigt", möglichst entgegentreten wollte (vgl Stubenrauch, Comm8 II 579 unter Berufung auf Zeiller, Comm III 668). Diese Gründe treffen auch auf bei Buchmachern abgeschlossene - erlaubte - Sportwetten zu. Wenn der Wettende den Einsatz wirklich entrichtet oder hinterlegt hat, wird ihm der mit einem für ihn negativen Ausgang der Wette verbundene Verlust des Einsatzes deutlicher vor Augen stehen als dann, wenn ihm der Buchmacher den Einsatz kreditiert.“
 
Dies alles vorausgesetzt erscheint die Äußerung der Präsidentin des Straflandesgerichts Wien in der Diskussionssendung Hangar 7 (Servus TV) vom 21.03.2019, wiedergegeben in der Katholischen Presseagentur am 22.03 2019, als äußerst bemerkenswert und auch seltsam; dies insbesondere für eine Landesgerichtspräsidentin.
 
Sie hielt im Wesentlichen  fest, daß bei einer deliktischen Haftung die Verjährungsfrist ohnehin 30 Jahre beträgt und daß im Zweifel immer für den „Angeklagten“ zu entscheiden ist. Auch würden bei der Verlängerung der Verjährungsfrist  Beweisprobleme auftreten.
 
Dazu ist zu sagen, daß allein die Tatsache, daß gegenüber dem unmittelbaren Täter, also hier dem mißbrauchenden Kleriker gemäß § 1489 ABGB (zweiter Satz) eine objektive dreißigjährige Verjährungsfrist gilt (deliktische Haftung - ex delicto) und gegenüber der dahinstehenden Institution, also der jeweiligen kirchlichen juristischen Person, auch die kurze subjektive Verjährungsfrist von 3 Jahren, (hier sind es immer vertragliche Schadenersatzansprüche ex contractu) zeigt, daß sich diese rechtliche Konstellation als reine Schutzvorschrift für kirchliches Vermögen entpuppt. Dies gilt auch in Bezug auf die Zahlungen, welche von Seiten des Staates an die katholische Kirche (vgl. Vermögensrechtliche Beziehungen Staat - Kirche) geleistet werden und völkerrechtlich abgesichert sind. Auch diese Zahlungen werden somit dem exekutiven Zugriff auf diese Art und Weise entzogen, da gegenüber dem Berechtigten keine durchsetzbare Forderung besteht.
 
Evident wird dadurch auch, daß sich die katholische Kirche insgesamt vor der wirtschaftlichen Verantwortung für den angerichteten Schaden schlichtweg drückt und man offenbar glaubt, daß alles für die Kirche selbst so weiterläuft, wie bisher.
 
Auf der einen Seite einen Schadenersatzanspruch mit einer längeren Verjährungsfrist auszustatten, welcher naturgemäß bei Klerikern der katholischen Kirche nichts wert ist, aber auf der anderen Seite die werthaltigen Schadenersatzansprüche gegen die kirchliche Institution selbst gleichsam generell  für praktisch unrealisierbar zu erklären, ist nicht verständlich. (vgl. Die zivilrechtlichen Schadenersatzansprüche der Mißbrauchsopfer) Warum Beweisfragen bzw. Beweisprobleme nur bei dem Anspruch gegenüber der dahinter stehen Institution eine Rolle spielen bzw. bestehen sollen und beim persönlichen bzw. deliktischen Anspruch nicht,  kann ebenfalls niemand erklären.
 
Die Situation, in welcher sich die Betroffenen befinden, dazu zu benutzen den werthaltigen Anspruch, den Schadenersatzanspruch aus der vertraglichen Haftung, zu einer Naturalobligationen zu erklären, diese Forderungen beispielsweise somit auf das Niveau von Schulden aus Wetten (§ 1271 ABGB) herabzustufen, ist aber mit den Grundsätzen einer zivilisierten Gesellschaft nicht zu vereinbaren.
 
Der OGH führt als Begründung für die Nichtdurchsetzbarkeit von Schulden aus Wetten aus, daß es sich hierbei um Verträge handelt, welche für den nützlichen Verkehr nicht förderlich sind und diese Verträge auf Leichtsinn und Unbesonnenheit beruhen.
 
Gerade effektiv durchsetzbare Schadenersatzansprüche würden aber bei der katholischen Kirche insgesamt einen Prozess der Läuterung einleiten und hoffentlich auch insgesamt sich nützlich auf die Gesellschaft auswirken.
 
Diese Wertung des obersten Gerichtshofes sollte jedenfalls allgemein zu denken geben; auch einer Landesgerichtspräsidentin.
 
Auch sollte man in dieser Position in der Lage sein, Zivil- und Strafrecht auseinander zu halten. Der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten (in dubio pro reo)“ gilt so im Zivilrecht nicht und nur in diesem Rechtsbereich geht es aber um Fragen des Verjährungseinwandes einer beklagten Partei (§1501 ABGB) und um Fragen in Bezug auf Naturalobligationen.
 
Wien, am 26.03.2019
RA Dr. Roman Schiessler
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