Blog 0043 - Die zivilrechtlichen Schadenersatzansprüche der Mißbrauchsopfer - RA Dr. Roman Schiessler

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Blog 0043 - Die zivilrechtlichen Schadenersatzansprüche der Mißbrauchsopfer

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Die zivilrechtlichen Schadenersatzansprüche der Mißbrauchsopfer

Das österreichische Zivilrecht sieht ganz allgemein verschiedene zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen vor, welche es einem ermöglichen Schadenersatz von einem Schädiger zu erlangen. Im Wesentlichen geht es um sogenannte deliktische Schadenersatzansprüche, Schadenersatzansprüche aus einem Vertrag und zu guter Letzt um Amtshaftungansprüche gegen einen öffentlich rechtlichen Rechtsträger im Rahmen der Vollziehung von Gesetzen, somit einem Handeln im Hoheitsbereich.
 
Die Ansprüche unterscheiden sich nicht nur durch ihre Anspruchsgrundlagen sondern auch umfänglich, insbesondere in Bezug auf die Zurechnung eines rechtswidrigen Verhaltens Dritter und verjährungsrechtlich. Gerade dies ist hier von besonderer Bedeutung.
 
a) deliktische Schadenersatzansprüche
 
Solche Schadenersatzansprüche entstehen auf Grund eines rechtswidrigen Verhaltens, insbesondere in Bezug auf ein absolut geschütztes Rechtsgut, ohne daß irgendeine Sonderbeziehung zwischen den Beteiligten besteht. Ein solches Rechtsgut ist klarer Weise die körperliche Unversehrtheit eines Menschen. Es ist evident, daß ein sexueller Mißbrauch eines Menschen unter diese Kategorie fällt. Der Anspruch umfaßt die drei möglichen Personenschäden, die da sind:  Das Schmerzensgeld, der Verdienstentgang und die anfallenden Heilungskosten. Der Anspruch richtet sich nur gegen den Täter selbst, also die Person, welche konkret rechtswidrig gehandelt hat. Sachschäden sind natürlich hier auch umfaßt, spielen aber bei Mißbrauchsfällen nur eine untergeordnete Rolle.
 
Im deliktischen Bereich sind ferner die Zurechnungsbestimmung für rechtswidriges Verhalten Dritter in der Regel nicht von Relevanz. Man haftet nur für sein eigenes Fehlverhalten und braucht sich das Verhalten Dritter nicht zurechnen zu lassen. Die Bestimmung § 1315 ABGB ist in ihrer Bedeutung, gerade in Mißbrauchsfällen, zu vernachlässigen. Für die Haftung ist die Volljährigkeit grundsätzlich eine Voraussetzung. Auch hier ist die Ausnahmebestimmung von § 1310 ABGB bei Mißbrauchsfällen nicht von praktischer Relevanz.
 
Entscheidend ist jedoch die Verjährungsfrage, dies nicht zuletzt aufgrund des nunmehr erlassenen Gewaltschutzgesetzes 2019. (vgl. Gewaltschutzgesetz 2019) Es gilt grundsätzlich die kurze, subjektive Verjährungsfrist von 3 Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger gemäß 1489 ABGB, sowie eine lange objektive Verjährungsfrist von 30 Jahren bei Straftaten, welche nur vorsätzliche begangen werden können und mit einer Strafdrohung von mehr als seinem Jahr bedroht sind. Diese Verjährungsfrist hat nunmehr eine Verlängerung in Bezug auf ein anhängiges Strafverfahren erfahren. Wesentlich dabei ist jetzt schon zu erwähnen, daß diese Verlängerung der Verjährungsfrist nur für diese deliktischen Schadenersatzansprüche gilt und für sonst keine.
 
b) vertragliche Schadenersatzansprüche
 
Diese Kategorie der Schadenersatzansprüche zeichnet sich dadurch aus, daß man sich gemäß §1313a ABGB in Erfüllung der jeweiligen vertraglichen Verpflichtungen jedes rechtswidrige Verhalten Dritter zurechnen lassen muß. Man haftet für das Verschulden des anderen wie für sein eigenes. Der Umfang des Schadenersatzanspruches, sowie alles andere, ist im Prinzip gleich geregelt, wie beim deliktischen Schadenersatzanspruch, wenn man die Betrachtung auf die gegenständlichen Mißbrauchsfälle beschränkt. Bei der Verjährung gilt aber nur die kurze subjektive Frist und ist dabei insbesondere die Verlängerungsregelung des Gewaltschutzgesetztes 2019 hier nicht anwendbar.
 
Vertragliche Ansprüche richten sich nicht unbedingt gegen den unmittelbaren Täter sondern können sich auch, und dies ist der wesentliche Unterschied zu den deliktischen Ansprüchen, gegen den Rechtsträger, welcher den unmittelbaren Täter bei der Erfüllung seiner vertraglichen Verpflichtungen beschäftigt bzw. tatsächlich einsetzt. Dies bedeutet, daß die Möglichkeit besteht, auch auf das Vermögen des jeweiligen Rechtsträgers schadenersatzrechtlich zuzugreifen und nicht nur auf das Vermögen des unmittelbaren Täters, wodurch sich eine massive Vergrößerung des Haftungsfonds für den Schadenersatzgläubiger ergibt.
 
Aufgrund des Gewaltschutzgesetztes 2019 sieht man aber eindeutig, daß der Gesetzgeber es verhindern will, daß auf kirchliches Vermögen, also das Vermögen der Rechtsträger der jeweiligen Internate, Privatschulen, kirchlicher Heime etc., in denen die Mißbräuche und Vergewaltigungen stattgefunden haben, zugegriffen werden kann. Das Vermögen der Diözesen, Stifte, Orden etc. soll somit nicht in Anspruch genommen werden können und als Haftungsfonds für die Schadenersatzberichtigten ausgeschlossen werden. Dies ist der eigentliche Grund für diese Vorgangsweise des Gesetzgebers.
 
c) Amtshaftungsansprüche
 
Hier handelt es sich um Schadenersatzansprüche gegen öffentliche Rechtsträger, wenn diese in Vollziehung der Gesetze durch ihre Organe rechtswidrig gehandelt und einen Schaden verursacht haben. (§ 1 AHG) Dies ist insbesondere von Bedeutung, wenn ein Kleriker als Lehrer tätig war, somit in Vollziehung der Gesetze. Dann scheidet dieser Geistliche als unmittelbarer, dem Betroffenen haftender Täter komplett aus und ist der Anspruch ausschließlich gegen den Staat zu richten.
 
Verjährungsrechtlich ist hier die Sachlage fast gleich, wie bei den vertraglichen Ansprüchen. Es gilt eine kurze, subjektive Verjährungsfrist von drei Jahren und eine objektive Verjährungsfrist von 10 Jahren. (§ 6 AHG)
 
Auch hier hat sich durch die Novelle des Gewaltschutzgesetzes 2019 nichts geändert und es gilt auch hier der Grundsatz, daß der Staat nicht über Gebühr schadenersatzrechtlich bzw. amtshaftungsrechtlich in Anspruch genommen werden darf und der Geschädigte grundsätzlich auf seinem Schaden sitzen bleiben soll. Dabei ist die Verjährung, der Verjährungseinwand auch hier ein probates Mittel.
 
 
Abschließend ergibt sich aufgrund dieser vergleichenden Betrachtung dieser 3 in Frage kommenden Schadenersatzansprüche ein Bild, das einem zu denken geben soll und auch muß.
 
Wenn allgemein behauptet wird, alles gegen den Mißbrauch von Minderjährigen zu tun, dann kann man sicher sein, daß durch solche, für den jeweiligen Betroffenen höchst nachteiliger Regelungen im Privatrecht, nichts erreicht werden kann. Im Ergebnis ist dieser auf den völlig wertlosen Anspruch gegen den als unmittelbaren Täter agierenden Kleriker verwiesen. Wertlos deshalb, weil dieser in der Regel nicht in der Lage ist, den Schaden, den er angerichtet hat, wirtschaftlich zu tragen.
 
In Wahrheit ist das Gegenteil der Fall und man vermeidet es strikt, den Betroffenen solcher Gewalttaten effektive privatrechtliche Ansprüche zu Hand zugeben; dies nicht zuletzt aufgrund der wirtschaftlichen Dimensionen, welche dabei zu Tage treten. Die Konsequenz wird sein, daß die Täter und die dahinter stehenden Organisationen, wie insbesondere die Katholische Kirche, welche den sexuellen Mißbrauch von Minderjährigen weltweit decken, sich noch sicherer fühlen und nichts dagegen unternehmen werden. Allein die jüngst veröffentlichten Zahlen in Sachen Kinderpornographie beweisen dies eindrücklich.
 
Zum Positiven ändern wird sich jedenfalls nichts. Die Begründung hierfür ist hier eindeutig und klar dargelegt. Für die Täter sind der Mißbrauch und die Vergewaltigung von Minderjährigen ein völlig risikoloses Unterfangen.
 
Abschließend ist allgemein ist auf die novellierte Bestimmung des § 1494 ABGB zu verweisen, zu der es aber noch keine Rechtsprechung gibt. (vgl. Missbrauch und Verjährung) Inwieweit dadurch eine Verlängerung bzw. eine Hemmung der Verjährung nunmehr bestimmt wird, wird sich weisen.
  
Wien, am 09.10.2019
RA Dr. Roman Schiessler
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