Blog 0009 - Das Gewaltverbot der UN-Charta - Art. 2 Abs. 4 - RA Dr. Roman Schiessler

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Blog 0009 - Das Gewaltverbot der UN-Charta - Art. 2 Abs. 4

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Das Gewaltverbot der UN-Charta - Art. 2 Abs. 4

Den Medien entnehmen wir vermehrt eine Sprache, welche eindeutig als Kriegsrhetorik bezeichnet werden kann. Aussagen aus dem deutschen Sprachraum dahingehend, daß der Krieg nach Russland zu tragen ist, daß Russland niederzuringen ist, wie einst die Sowjetunion oder daß insbesondere Deutschland in bis zu 5 Jahren kriegsbereit zu sein hat, sind an der Tagesordnung.
 
Auf der anderen Seite beschuldigt man die Russische Föderation einen illegalen, brutalen Angriffskrieg zu führen. Dies hört man praktisch in Dauerschleife.

Auf Rechtsgrundlagen wird dabei nie Bezug genommen. Man bedient sich vielmehr einer Propagandasprache, indem man diese Parolen fortwährend wiederholt, ohne sie aber rechtlich haltbar zu begründen.
 
Die Rechtsgrundlage (Art. 2 Abs. 4 UN-Charta) hierfür ist aber eindeutig:
 
Zitat: „Alle Mitglieder enthalten sich in ihren internationalen Beziehungen der Drohung mit Gewalt oder der Gewaltanwendung, die gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit irgendeines Staates gerichtet oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbar ist.“
 
Allgemein ist dazu auszuführen, daß dieses Gewaltverbot sich an jenen Gewaltverboten orientiert, wie wir sie eigentlich in allen nationalen Rechtsordnungen zivilisierter Gesellschaften, insbesondere im Bereich des Strafrechts wieder finden. Das klassische Gewaltdelikt, der Raub, ist im Prinzip gleich formuliert.

§ 142 Abs. 1 StGB:

Zitat: Wer mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz wegnimmt oder abnötigt, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.“

Es geht auch bei dieser strafrechtlichen Bestimmung um das Drohen mit und das Anwenden von Gewalt als rechtlich mit dem gleichen Unrechtsgehalt behaftete Tatbestände. Strafprozessrechtlich hat dies in Österreich zur Folge, daß eine eventuelle fehlerhafte Subsumtion eine Nichtigkeitsbeschwerde unzulässig macht. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem alternativen Mischtatbestand, welcher gleichwertige Tatbestände zur Voraussetzung hat. (für Interessierte: RS0093803)
 
Die Tatsache, daß das Drohen mit und das Anwenden von Gewalt als rechtlich gleichwertig anzusehen sind, dies praktisch überall in der Welt, bedeutet auch, daß niemand sich auf Unkenntnis dieser Rechtslage berufen kann. Dies ist insbesondere von Bedeutung bei der völkerrechtlichen Betrachtung des Gewaltverbotes der der Charta der Vereinten Nationen.

Die oben angeführten Äußerungen sind daher bereits als Verstoß gegen das Gewaltverbot zu werten, da sie massive Drohungen von Gewalt zum Inhalt haben, ohne daß seitens des von der Drohung betroffen Staates irgendeine Aggressionshandlung gegen diesen konkreten Staat ausgegangen ist. Daher ist eine Rechtfertigung solcher Drohungen auch gem. Art. 51 UN-Charta auszuschließen. Auch irgendwelche Bündnisverpflichtungen, sollten sie bestehen, rechtfertigen das nicht.
 
Wenn man dann noch die weitere Vorgeschichte des Ukrainekonflikts miteinbezieht, dann erübrigt sich ohnehin jede weitere Diskussion. (Blog 0002 - Der Ukrainekonflikt in völkerrechtlicher Hinsicht - RA Dr. Roman Schiessler (ra-dr-schiessler.at))

Insbesondere das gleichsame Kapern eines Staates, der Ukraine, im Zuge der Ereignisse zu Beginn des Jahres 2014 (Maidan), dies zum Zwecke diesen Staat, nämlich die Ukraine, als Angriffsplattform gegenüber einem anderen Staat, die russische Föderation, zu missbrauchen, ist als massive Verletzung des Gewaltverbotes der Vereinten Nationen zu betrachten.

Nicht nur, daß durch im Rahmen dieser Ereignisse die Gewaltausübung, offensichtlich organisiert durch die Vereinigten Staaten, die politische Unabhängigkeit eines anderen Staates - der Ukraine - verletzt wurde, es wurde auch eine Drohkulisse gegenüber einem weiteren Staat, der Russischen Föderation, aufgebaut. Im Ergebnis gab es somit zwei Verletzungen des Gewaltverbotes gem. Art. 2 Abs. 4 der Charta der Vereinten Nationen.

Es wird oft übersehen, daß das Organisieren von Umstürzen in einem Land und somit das Bewirken eines Regierungswechsels abseits der in diesem Land vorgegebenen verfassungsrechtlichen Regeln eine Verletzung dieser Bestimmung der UN-Charta bedeutet.

Auch wird man sich einmal fragen müssen, wie es um ein Land völkerrechtlich steht, welches über ein Militärbudget in der Höhe von fast 900 Milliarden Dollar verfügt, rund 800 Militärstützpunkte in ungefähr 70 Ländern weltweit unterhält und mit rund einem Dutzend Flugzeugträgereinheiten die Weltmeere kontrolliert.
 
Eine Verletzung des Gewaltverbotes allein durch eine solche Drohkulisse, ist ziemlich leicht darstellbar. Dieses weltweite militärische Auftreten sollte einmal unter diesem Gesichtspunkt betrachtet werden. Wer eine solche Militärmaschinerie betreibt, hat auch die Absicht, diese einmal einzusetzen, wodurch ein weiteres Argument im Sinne des Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta hinzukommt.

Insoweit könnte man diese Bestimmung auch im Sinne einer Rüstungskontrolle fruchtbar machen, denn es kann durchaus argumentiert werden, daß eine Rüstung, welche ein gewisses Ausmaß überschreitet, völkerrechtlich so nicht mehr tragbar ist und im Sinne des Gewaltverbotes von Relevanz sein kann und es wahrscheinlich auch ist.

Dies setzt aber natürlich voraus, daß man den Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta auch als das versteht, was er nun einmal ist. Er normiert ein alternatives Mischdelikt und inkriminiert rechtlich zwei gleichwertige Verbote, wobei das Drohen mit Gewalt politisch das weitaus bedeutendere der beiden Verbote ist. Bemerkenswert dabei ist aber, daß dieser Teil des Gewaltverbotes international kaum eine Beachtung findet. Es ist rechtlich schon im Vorfeld untersagt, mit einer Gewaltanwendung zu drohen und mit dieser gleichsam Politik zu machen. Insoweit ist bzw. wäre das Verbot des Drohens mit Gewalt die politisch weitaus schärfere Waffe.

Die politische Bedeutsamkeit besteht dann realpolitisch vor allem auch darin, daß es dann eben nicht mehr erlaubt ist, Regierungen, welche einer bestimmten Nation - die Konkretisierung dieser Nation wird dem aufmerksamen Leser überlassen - nicht oder nicht mehr in das geopolitische Weltbild passen, einfach so zu beseitigen und durch Führungskräfte zu ersetzen, welche dann eher diesen geopolitischen Vorstellungen entsprechen.

Die Geschichte bestätigt die Bedeutung dieser Thematik eindrucksvoll. Es war in der Vergangenheit durchaus üblich, Regierungen unpassender Natur zu beseitigen. Ein Land war dabei führend.

Zu den wichtigsten Vorfällen dieser Art gehören: der iranische Staatsstreich von 1953, die Invasion in der Schweinebucht 1961, die Unterstützung des Sturzes von Sukarno durch General Suharto in Indonesien, etc. Diese Liste läßt sich fortsetzen. Insgesamt sollen bis 64 Regimewechsel arrangiert worden sein.

Hinzu kommen Einmischungen in Wahlen, welche die politische Unabhängigkeit der jeweiligen Länder beeinträchtigten und somit ebenfalls dem Gewaltverbot zuwider laufen: Italien 1948, den Philippinen 1953 und Japan in den 1950er und 1960er Jahren sowie im Libanon 1957. In der Nachkriegszeit sollen mindestens 81 offene und verdeckte Eingriffe in ausländische Wahlen vorgenommen worden sein.

All dies wäre unter dem Gesichtspunkt des Art. 2 Abs. 4 der UN-Charta von Relevanz. Im Prinzip ist der Angriff auf die Russische Föderation nichts anderes; eine völkerrechtliche Aufarbeitung tut jedenfalls Not.

Gössendorf, am 24.06.2024
RA Dr. Roman Schiessler
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