Blog 0027 - Der Bundespräsident - RA Dr. Roman Schiessler

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Blog 0027 - Der Bundespräsident

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Der Bundespräsident

Wie allgemein bekannt haben wir im Herbst 2022 Wahlen zum Bundespräsidenten. Der Bundespräsident ist das einzig direkt gewählte Organ auf Bundesebene.
 
Seine primär verfassungsrechtlich vorgegebene Aufgabe ist Organisation der Bundesregierung. Die anderen Kompetenzen (vgl. Art 60 ff B-VG) sind von ihrer politischen Bedeutung nachrangig.

Meinerseits wurde zu diesem Amt bereits Stellung genommen und diverse Erweiterungsvorschläge hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Kompetenzen vorgeschlagen. (vgl. Notwendige Verfassungsänderungen)
 
Hier noch einmal der wesentliche Inhalt:
 
Derzeit ist es so, daß die Stellung des Bundespräsidenten aufgrund der gegebenen verfassungsrechtlichen Bestimmungen - Art. 60 ff B-VG - sich eher auf repräsentative Funktionen beschränkt. Er besitzt im Rahmen der Bildung der Bundesregierung gewisse organisatorische Kompetenzen und Einflußmöglichkeiten, aber sonst sind seine Aufgaben kaum von politischer Relevanz.
 
Völlig unerklärlich ist es daher, daß das einzige direkt gewählte Organ der Vollziehung, dies im Gegensatz zur Bundesregierung, welche er ernennt, keine parlamentarischen Möglichkeiten besitzt, irgendwie im Nationalrat selbst aktiv zu werden. Der Bundespräsident besitzt einerseits keinerlei Antragsrechte im Parlament, ernennt aber andererseits aber jene Personen, praktisch die gesamte Macht im Staat ausgeht. Ein ausgewogenes Machtgefüge in einem Gemeinwesen ist sieht anders aus.

Es ist daher an der Zeit, dem Bundespräsidenten, die gleichen Antragsrechte im Parlament, im Nationalrat einzuräumen, die auch die Regierung selbst besitzt, welche er auch ernennt.

Dadurch hat er die Möglichkeit, als direkt gewähltes Vollzugsorgan konkreten Einfluß auf die parlamentarische Arbeit zu nehmen und so auf den Gang der Gesetzwerdung im Einzelfall, wenn es beispielweise um verfassungsrechtliche bzw. grundrechtliche Fragen geht, einzuwirken.

Es mutet schon etwas eigenartig an, daß auf der einen Seite der Bundespräsident selbst kaum über politische Instrumente verfügt, während auf der anderen Seite von der Regierung, welche er ernennt, alle Macht im Staat ausgeht und der Einfluß auf die Gesetzgebung überschießend hoch ist.

Im Endeffekt hat der Bundespräsident in dem Fall, wie wir ihn derzeit erleben, nur die Möglichkeit die gesamte Bundesregierung zu entlassen, um die politische Situation zu beeinflussen. (Art. 70 Abs. 1 B-VG) Zu diesem radikalen Schritt werden die wenigsten bereit sein und sind es auch nicht. Dies wird auch durch die Realität und die Geschichte bestätigt. Ein solches „Alles oder Nichts“ - Prinzip führt auch in der Regel nicht zu nachhaltigen politischen Lösungen.
 
Hat er, der Bundespräsident, aber auch andere Möglichkeiten der Einflußnahme auf das politische Geschehen im Parlament, dann ist es für den jeweiligen Amtsinhaber natürlich auch leichter möglich durch das Einbringen entsprechender Gesetzesanträge die Situation zu beeinflussen und der parlamentarischen Abstimmungslage eine andere Richtung zu geben. Man wird auch die persönliche Situation des einzelnen Menschen in diesem Amt berücksichtigen müssen. Solche drastischen bzw. radikalen Schritte sind vielleicht für einen Amtsinhaber nicht immer einfach durchzuführen.
 
Die Autorität, welche ihm seine direkt-demokratische Legitimation gibt, kann durchaus geeignet sein, in dem einen oder andern Fall, ein anderes Abstimmungsverhalten im Nationalrat zu erwirken. So gesehen ist es nicht undenkbar, daß ein Gesetzesantrag, eingebracht durch den Bundespräsidenten, im Parlament eine andere Wirkung hat, als eine Regierungsvorlage, ein Initiativantrag oder überhaupt ein Volksbegehren, welches in gesetzgeberischer Hinsicht ohnehin kaum von Nutzen ist.

Durch die so gewährten Antragsrechte im Parlament wird auch vermieden, dem Bundespräsidenten eine eigenständige politische Machtposition an die Hand zu geben. Er erhält dadurch nur Antragsrechte im Parlament und effektivere Einflußmöglichkeiten auf das politische und parlamentarische Geschehen und keine Anordnungsrechte aus eigener Macht.

Eine weitere Möglichkeit, die Position des Bundespräsidenten im staatlichen Gefüge aufzuwerten, besteht darin, ihm die Möglichkeit einzuräumen, Gesetze und Verordnungen beim Verfassungsgerichtshof anzufechten. Eine solche Antragslegitimation, somit eine Novellierung der Art 139 und 140 B-VG, erscheint dringend geboten und würde auch den Vorstellungen in der Gesellschaft hinsichtlich der Stellung des Bundespräsidenten im Staat als Staatoberhaupt gerecht werden.

Derzeit beurkundet der Bundespräsident lediglich das verfassungsgemäße Zustandekommen von Gesetzen. (Art. 47 B-VG) Eine inhaltliche Prüfungsbefugnis, insbesondere in Bezug auf die Grundrechte, ist dem Bundespräsidenten durch die Bundesverfassung damit nicht eingeräumt worden. Diese Befugnis bleibt ausschließlich dem Verfassungsgerichtshof vorbehalten.

In den Art. 139 und 140 B-VG ist Antragslegitimation beim Verfassungsgerichtshof geregelt.

Bemerkenswert dabei ist, daß es zwar wieder der Bundesregierung erlaubt ist, Verordnungen und Gesetze (Bundes- und Landesgesetze) beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, dem Bundespräsidenten, welcher die Bundesregierung ernennt, diese Möglichkeit der Normenkontrolle von der Bundesverfassung aber nicht gegeben wurde; eine Tatsache, welche sich dieser Tage als massives Defizit herausstellt, da die Möglichkeiten einer abstrakten Normenkontrolle beim Verfassungsgerichtshof aufgrund des geltenden Verfassungsrechts sehr eingeschränkt sind und vor allem für den einzelnen Bürger überhaupt nicht existieren. Dies liegt nicht zuletzt an der verfassungsrechtlich vorgesehen Antragslegitimation vor diesem Höchstgericht.
 
Dies widerspricht vor allem der Erwartungshaltung der Bevölkerung hinsichtlich der Ausübung des Amtes. Vom Bundespräsidenten wird eine Kontrollfunktion mit entsprechendem Handlungspouvoir erwartet. Die wenigsten Menschen wissen jedoch, daß dies aufgrund er derzeitigen verfassungsrechtlichen Situation vieles gar nicht möglich ist.
 
Die Befugnis gemäß Art. 47 B-VG beinhaltet keine inhaltliche Prüfungsbefugnis in Bezug auf Gesetze. Dies bedeutet, daß der Bundespräsident auch verfassungswidrige Gesetz beurkunden muß, andernfalls begeht er eine Amtspflichtverletzung, die seine Absetzung zur Folge haben kann.
 
Vorzuschlagen ist, daß im Falle einer Anfechtung eines Gesetzes dieses vorerst nicht beurkundet wird und daher nicht in Kraft tritt; dies bis zur Entscheidung durch den VfGH. Wird eine Verordnung angefochten, dann ist diese bis zur Entscheidung durch den VfGH nicht kundzumachen.

Durch die Aufwertung des Bundespräsidenten als Dreh- und Angelpunkt im verfassungsrechtlichen Macht- und Kontrollgefüge durch die Einräumung dieser parlamentarischen Antragsrechte und auch einer Aktivlegitimation vor dem Verfassungsgerichtshof würde dies eine signifikante rechtliche Stabilisierung unseres staatlichen Gefüges nach sich ziehen. Die Aufwertung in der Bundesverfassung dieses direkt gewählten obersten Organs trägt somit entscheidend dazu bei, das rechtsstaatliche Grundprinzip, festgelegt im B-VG, nachhaltig zu stärken.

Hinsichtlich der Amtsführung selbst wäre auszuführen, daß bislang keineswegs von allen verfassungsrechtlich zu Gebote stehenden Möglichkeiten Gebrauch gemacht wurde, insbesondere nicht in Bezug auf die Regierungsbildung, der wichtigsten Aufgabe des Bundespräsidenten.
 
Gemäß Art. 70 B-VG ernennt der Bundespräsident den Bundeskanzler und auf dessen Vorschlag die Bundesminister. Dazu ist grundsätzlich anzuführen, daß gemäß Art. 67 B-VG der Bundespräsident bei all seinen Handlungen an die Vorschläge des Bundeskanzlers bzw. der Bundesregierung oder eines dazu ermächtigen Bundesministers gebunden ist.
 
Dies bedeutet, daß bei der Bestellung der Bundesregierung der Bundespräsident nur hinsichtlich der Bestellung des Bundeskanzlers in seiner Entscheidung verfassungsrechtlich frei ist. Bei allen anderen ihm zustehenden Entscheidungen - soweit von politischer Relevanz - ist er immer an Vorschläge gebunden. Daraus ergibt sich, daß bei einer bereits ernannten Regierung nur mehr der Kanzler selbst oder die gesamte Bundesregierung für den Bundespräsidenten verfassungsrechtlich zu Disposition steht.
 
Es steht dem Bundespräsidenten verfassungsrechtlich frei, wen er zum Bundeskanzler oder zum Bundesminister ernennt. Er kann somit Vorschläge bezüglich einzelner Bundesminister ablehnen, was in der Vergangenheit auch bereits erfolgt ist.
 
Von einer Möglichkeit ist aber noch nie Gebrauch gemacht worden, nämlich den Bundeskanzler und vor allem die Bundesminister - hier ist er bei der Absetzung ja immer an die Vorschläge des Bundeskanzlers gebunden - befristet zu ernennen.
 
Da die Regierung immer nach einer Nationalratswahl durch den Bundespräsidenten ernannt wird - verfassungsrechtlich ist dies nicht zwingend - und die Regierungsmitglieder vor der Wahl stets im Verborgenen bleiben, besitzen diese keinerlei demokratische Legitimation bzw. erhalten diese indirekt durch den direkt gewählten Bundespräsidenten. Da aber selbst der Bundespräsident diese Personen zumeist nicht kennt, wäre es angebracht, die Regierungsmitglieder befristet zu ernennen, um sich in Bezug auf die Amtsführung, deren demokratischen Grundverständnis, Akzeptanz in der Bevölkerung etc. ein Bild machen zu können. Die Verfassung gibt ihm diese Möglichkeit und es ist erstaunlich, daß von dieser Möglichkeit noch kein Gebrauch gemacht worden ist. Daß diese Vorgehensweise zulässig, ja sogar logisch ist, ergibt sich allein schon aus der Tatsache, daß der Bundepräsident die Ernennung eines durch den Bundeskanzler vorgeschlagenen Bundesministers auch ablehnen kann.
 
Es können somit der Bundeskanzler und die Bundesminister mit unterschiedlichen Befristungen oder auch auf Dauer ernannt werden. Eine durchaus interessante Konstellation, welche vor allem bei den derzeitigen Zuständen in der Politik und der Regierung durchaus angebracht wäre.
 
Durch die befristete Ernennung behält sich der Bundesprädient eine gewisse Hoheit über die Zusammensetzung der Bundesregierung über einen bestimmten Zeitraum vor und kann auf die Tätigkeit der Bundesregierung, unabhängig von der ihn treffenden Gebundenheit an die Vorschläge, Einfluß nehmen.
 
Es ist nur zu verständlich, daß derartige politische Positionen unter der ständigen Kontrolle eines direkt gewählten Organs stehen sollten um dem demokratischen Prinzip unserer Verfassung gerecht zu werden.
 
Der Bundesregierung kommt eine herausragende Machtposition im staatlichen Gefüge zu (vgl. Notwendige Verfassungsänderungen), es ist daher vornehmlichste Aufgabe des Bundespräsidenten dafür zu sorgen, daß die in der Bundesregierung vergebenen Positionen auch nicht mißbraucht werden. Dies entspricht auch der Erwartungshaltung der Bevölkerung. Daher ist ein solches Vorgehen bei der Bestellung der Bundesregierung überfällig.
 
Wien, am 20.04.2022
RA Dr. Roman Schiessler
 
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