Blog 0028 - Die Verweltlichung der Kirche - ein Mythos - RA Dr. Roman Schiessler

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Blog 0028 - Die Verweltlichung der Kirche - ein Mythos

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Die Verweltlichung der Kirche - ein Mythos

Im Rahmen der Mißbrauchsfälle in der katholischen Kirche hört man immer wieder von kirchlicher Seite, daß es vermeintliche weltliche Einflüsse gewesen sein sollen, welche die Kirche gleichsam vom Pfad der Tugend wegführten, hin zu einem sündigen Leben.
 
Jüngst ist das wieder zu hören im Rahmen einer Studie zu den Mißbrauchsfällen bei den Regensburger Domspatzen, einem berühmten Knabenchor vergleichbar mit den Wiener Sängerknaben. (FAZ)
 
Der Mißbrauchsskandal wird summa summarum einer Verweltlichung der Kirche zugeschrieben, um auf diese Weise von der eigenen Verantwortung abzulenken. Papst Benedikt der XVI. tat sich hier besonders hervor, indem dieser die 68iger Bewegung für die ganzen kriminellen Geschehnisse verantwortlich machte.
 
In Bezug auf die 68iger Bewegung ist hier eher anzumerken und für wahrscheinlich zu halten, daß das damit verbundene Umdenken in sexueller Hinsicht es erst ermöglicht hat, solche Straftaten öffentlich zu machen und sexuellen Übergriffen, insbesondere in der Kirche, entgegen zu treten. Vielleicht ist es dieser Umstand, welcher Papst Benedikt der XVI. stört.
 
Daß diese Argumentation schlichtweg auch ein grober Unfug ist, läßt sich am einfachsten durch eine historische Betrachtung widerlegen.
 
Es wird immer so getan, als ob die gesamten Mißbrauchsfälle sich in der Nachkriegszeit seit 1945 ereignet hätten und davor keine solchen Übergriffe stattgefunden hätten.
 
Daß dies nicht der Fall ist, hat die Zeitung Addendum in seiner Ausgabe 3/2019, Seite 36 eindeutig recherchiert und herausgefunden, daß bereits Mitte des 17. Jahrhundert Mißbrauchstäter innerhalb der Kirche versetzt wurden. Bereits damals hatte ein Kleriker, ein Konstanzer Jesuitenpater über sieben Jahre hindurch Buben mißbraucht. Weitere Konsequenzen als die Versetzung sind nicht überliefert.
 
Um die zeitliche Einordnung noch deutlicher zu machen, wird darauf hingewiesen, daß es sich hier um die Nachkriegszeit des 30-jährigen Krieges handelt.
 
Dafür die 68iger Bewegung verantwortlich zu machen ist aber geradezu lächerlich und kann dafür auch sonst keine wie auch immer angenommene und behauptete Verweltlichung der Kirche im 20. Jahrhundert hierfür  verantwortlich gemacht werden.
 
Auch ist davon auszugehen, daß auch davor es schon Mißbrauchsfälle in der Kirche gegeben hat und es schon an sich als sensationell zu betrachten bei den Fähigkeiten der katholischen Kirche Sachverhalte im Verborgenen zu halten, daß ein Fall aus dem 17. Jahrhundert nachvollziehbar dargestellt und recherchiert werden kann.
 
Auch vor den beiden Weltkriegen sind Mißbrauchsfälle dokumentiert. Die Folgen für die Täter waren aber durchwegs bedeutungslos.
 
Insgesamt sind diese Straftaten innerhalb der Kirche auf individuelles Fehlverhalten der einzelnen Personen zurückzuführen und auch von diesen zu verantworten. Der Unterschied zu anderen, weltlichen Mißbrauchsfällen liegt aber darin, daß die katholische Kirche massiv zur Verheimlichung dieser kriminellen Aktivitäten beigetragen hat und so in dieser Religionsgesellschaft nicht nur unmittelbare Täter zu finden sind, sondern auch eine Reihe von Beitragstätern. (vgl. § 12 StGB – Beitragstäterschaft)
 
Die ist auch der Grund, warum die katholische Kirche als Ganzes für dieses kriminelle Treiben verantwortlich zu machen ist und zwar nicht nur über Jahrzehnte, sondern über Jahrhunderte.
 
Allein die Tatsache, daß Verbrechen dieser Art über Jahrhundert nachvollziehbar darzustellen sind, dies trotz aller Verheimlichungsversuche, zeigt, daß das Argument der Verweltlichung der Kirche hier nicht Platz greifen kann, denn zur Zeit des Mittelalters und der frühen Neuzeit ist wohl eher von einer umgekehrten Beeinflussung in der Gesellschaft auszugehen. In dieser Zeit hat der kirchliche Einfluß auf den weltlichen Bereich der Gesellschaft bei weitem überwogen und fand eine Dominanz in umgekehrter Richtung kaum bzw. überhaupt nicht statt.
 
Die gesamten kriminellen Aktivitäten sind auch Ausdruck der Tatsache, daß man der Ansicht ist, dies gilt an sich für alle Religionen, in einem reichsfreien Raum (vgl. Der rechtsfreie Raum) leben zu können und weltlich für nichts verantwortlich zu sein. Daß dies nicht so sein kann und auch nicht so sein darf sollte allen in der Gesellschaft klar sein.
 
Wien, am 24.07.2019
RA Dr. Roman Schiessler
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