Blog 0036 - Prozessuales zum Thema Mißbrauch von Minderjährigen - RA Dr. Roman Schiessler

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Blog 0036 - Prozessuales zum Thema Mißbrauch von Minderjährigen

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Prozessuales zum Thema Mißbrauch von Minderjährigen

Allgemein wird behauptet, daß Sexualdelikte dieser Art, wie sie vor allem im Rahmen des sexuellen Mißbrauches von Minderjährigen in der katholischen Kirche stattgefunden haben aufgrund des lange zurückliegenden Tatzeitpunktes nicht mehr beweisbar sind.
 
Dazu ist es erforderlich, sich einmal mit den spezifischen Eigenheiten dieser kriminellen Aktivitäten auseinanderzusetzen. Diesbezüglich leuchtet eine besondere Problematik, insbesondere aus der Sicht des Täters, hervor.
 
Sexualstraftäter, welche sich für Minderjährige interessieren stehen naturgemäß vor dem Problem, daß ihre Opfer älter werden und somit diese aus dem für diese Straftäter interessanten Altersbereich immer wieder herauswachsen. Sie sind somit gezwungen in regelmäßigen Abständen ihre Opfer auszuwechseln, um ihren Trieb befriedigen zu können. An volljährigen, erwachsenen Personen habe solche Leute naturgemäß kein Interesse.
 
Dem zur Folge produzieren diese Straftäter eine Vielzahl an Opfern und dies in einem relativ kurzen Zeitraum. Diese Opfer sind dann auch als Zeugen in darauffolgenden Gerichtsverfahren einsetzbar, wenn nicht schon Verjährung eingetreten und somit der Gerichtszugang verwehrt ist.
 
Es ergibt sich somit die paradoxe Situation, daß es aus prozessualen Gründen daher günstiger ist, wenn der jeweilige Sexualstraftäter länger seinem kriminellen Treiben nachgeht, als daß er bereits in einem frühen Stadium seines Treiben aus dem Verkehr gezogen wird. Das klingt vielleicht etwas eigenartig und auch unsensibel gegenüber den Opfern, es ist aber eine Realität. Denn es ist leicht möglich, daß es im Rahmen eines Prozesses zu der Situation kommt, daß in einem Prozess Aussage gegen Aussage gegenüber steht und der jeweilige Täter nicht verurteil werden kann, wenn kaum Opfer, somit Zeugen, vorhanden sind, da er in einem frühen Stadium seines Tuns erwischt wurde.
 
Aus dieser Erkenntnis ergeben sich aber auch eine Reihe von Ermittlungsmöglichkeiten, welche offensichtlich in der Vergangenheit nicht im Geringsten seitens der Strafverfolgungsbehörden genutzt wurden. (vgl. Der Mißbrauchsskandal der Kirche - auch ein Skandal des Staates und der Justiz?) Ist es somit offensichtlich, daß ein Sexualstraftäter bereist länger gleichsam unter Kindern oder Minderjährigen gewütet hat, sollte es ein Leichtes sein, durch eine entsprechende, nachdrückliche Ermittlungstätigkeit weitere Opfer zu finden und so die Verurteilungschancen zu steigern. Geschehen ist dies in der Vergangenheit jedenfalls nicht. Auch ergeben sich ferner bereits nach geltendem Recht verjährungsrechtlich dadurch entscheidende Vorteile. (vgl. §58 Abs. 2 StGB)
 
Vor allem den Gegenargumenten hinsichtlich der Änderung des Verjährungsrechts zugunsten einer Verlängerung desselben, wird durch diese Gegebenheiten der Wind komplett aus den Segeln genommen. Begründet wird die ablehnende Haltung bezüglich der Verlängerung der Verjährungsfristen in der Regel immer damit, daß die Taten eben schon sehr lange zurückliegen und somit schwerer beweisbar sind. Wie hier dargestellt ist das Gegenteil der Fall. Mehr Opfer bedeuten auch mehr Zeugen für die kriminelle Neigung des Sexualstraftäters an sich und begründen somit auch eine leichtere Beweisbarkeit der einzelnen Straftaten, selbst wenn sie auch schon länger zurückliegen sollten. Da sonstige Zeugen bei Straftaten dieser Art kaum vorhanden sind, ist dies die einzige Möglichkeit, zu Lasten des Straftäters eine erdrückende Beweislast, eine Zeugenmehrheit herzustellen.
 
Dieser hier dargestellte, bereits an sich einfach zu erkennende Gedanke beweist auch, daß der Staat bei den klerikalen Mißbrauchsfällen kein Interesse hatte zu ermitteln; dies offensichtlich aus politischen Gründen. Nur dadurch ist auch die bereits große Zahl von „positiven Entscheidungen“ – was von dieser Formulierung zu halten ist, wurde bereits dargestellt – zu erklären.
 
Meines Erachtens bietet sich hier auch ein genereller Ansatz für einen Amtshaftungsanspruch gegenüber dem Staat, da dieser gleichsam vorsätzlich jede Ermittlungstätigkeit offensichtlich unterlassen hat und dadurch die Chancen der Betroffenen Schadenersatz zu erlangen entscheidend gemindert hat.
 
Wien, am 12.09.2019
RA Dr. Roman Schiessler
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