Blog 0049 - Strafverfahren oder Zivilverfahren - eine vergleichende Betrachtung aus der Sicht des Opfers von Sexualverbrechen - RA Dr. Roman Schiessler

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Blog 0049 - Strafverfahren oder Zivilverfahren - eine vergleichende Betrachtung aus der Sicht des Opfers von Sexualverbrechen

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Strafverfahren  oder Zivilverfahren - eine vergleichende Betrachtung aus der Sicht des Opfers von Sexualverbrechen

Der Unterschied zwischen einem Strafverfahren und einem Zivilverfahren liegt im Wesentlichen im Ziel desselben. Das Strafverfahren dient dazu, den Strafanspruch des Staates durchzusetzen, während das Zivilverfahren dazu da ist und auch so konzipiert ist, ganz allgemein privatrechtlichen Ansprüche zum Durchbruch zu verhelfen.
 
Am besten wird der Unterschied dieser beiden Verfahrensarten dadurch ersichtlich, daß im Strafverfahren das Opfer der jeweiligen Straftat die Stellung eines Zeugen hat, während im Unterschied dazu es im Zivilverfahren als Kläger auftritt und somit Partei und somit auch Herr des Prozesses ist.
 
Der Zivilprozess soll dem Kläger zu seinem Recht verhelfen, in dem er diesem die Möglichkeit gibt, aufgrund seiner Stellung im Verfahren sein Recht durchzusetzen und nicht funktional dazu bestimmt ist, dem Recht eines anderen, nämlich des Staates gegenüber dem Straftäter, zum Durchbruch zu verhelfen.
 
Allein diese grundsätzlichen Gedanken über die wesentlichen Unterschiede der beiden Verfahren sagen eigentlich schon alles aus über die Interessenslagen des Opfers einer Straftat, insbesondere dann, wenn es den Intimbereich dieses Menschen betrifft. Die Auswirkungen solcher Straftaten bei Menschen, vor allem dann, wenn Kinder und Minderjährige davon betroffen sind, auch wenn die Straftat schon Jahre und Jahrzehnte zurückliegt und das Opfer, der Betroffene der Straftat bereits erwachsen ist, sind die, daß diese in der Regel schon im normalen Leben an sich sehr gefordert und oft im Leben auch und vor allem auch dadurch überfordert sind. Solche Personen sind nun aber aufgefordert, jetzt dem Staat noch dabei behilflich zu sein, als Zeuge in einem Strafverfahren einen Strafanspruch durchzusetzen, ohne irgendeinem Nutzen für sich selbst.
 
Zwar besteht die Möglichkeit sich als Privatbeteiligter mit einem Schadensbetrag dem Strafverfahren anzuschließen, doch werden dadurch die Interessen des Opfers bzw. Privatbeteiligten praktisch nie gewahrt. Im strafgerichtlichen Verfahren werden diese zivilrechtlichen Ansprüche immer sehr stiefmütterliche behandelt und erfolgt überwiegend eine Verweisung auf den Zivilrechtsweg. Dies bedeutet, daß der Geschädigte weiter unter Druck und unter Stress gerät. Er muß sich einem weiteren Gerichtsverfahren stellen und dieses auch noch finanzieren.
 
Der jeweils Betroffene wird somit gezwungen an einem Verfahren teilzunehmen, welches schon von seinem Ansatz her, seine Interessen nicht primär verfolgt und diesen nur instrumentalisiert. Die immer wieder hochgelobte juristische und psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren wird daher zum Selbstzweck und bringt dem Geschädigten definitiv nichts. Das Strafverfahren ist nun einmal nicht in der Lage in diesem Zusammenhang das Gewünschte zu bieten, weil es dazu nun einmal nicht taugt,  wobei auch immer die Frage zu stellen ist, was von wem überhaupt gewünscht wird.
 
Bei dieser Art von Delikten und aufgrund von diesen Betrachtungen wird somit aber deutlich, daß das Strafverfahren insgesamt von seiner Bedeutung für den jeweils von einer Straftat Geschädigten maßlos durch die gegenwärtige Rechtslage und auch die Gesellschaft überschätzt, ja sogar weit überhöht wird.
 
Im Gegensatz dazu, ist das Zivilverfahren auf die Interessen des Geschädigten zugeschnitten und kann der jeweilige Vertreter auf die Interessen des Geschädigten individuell eingehen. Unter Umständen ist es diesem sogar möglich, bei Aufbau einer entsprechenden Drucksituation zu Lasten der beklagten Partei, es seinem Mandanten zu ersparten, auszusagen oder vielleicht sogar den Prozess zu ersparen. Zu betonen ist in diesem Zusammenhang vor allem die psychische Verfaßtheit des Klägers selbst, welche es oft erfordert, so auch vorzugehen.
 
Ferner ist mediale die Aufmerksamkeit geringer, und es verringert sich dadurch ebenfalls die prozessuale Belastung des Betroffenen bzw. des Klägers.
 
Die Umsetzung dieser Gedanken zugunsten des Geschädigten setzt natürlich ein völliges Umdenken in der rechtlichen Aufarbeitung solcher Straftaten voraus. Im Mittelpunkt muß der Anspruch des Geschädigten auf Schadenersatz stehen und nicht der Strafanspruch des Staates. Dieser hat zweitrangig zu sein.
 
Es natürlich wieder zu erwarten, daß dann die Gegenargumente dahingehend kommen, daß man die Täter mit Samthandschuhen anfassen will und daß kein konsequentes Vorgehen gegen Straftäter erfolgt. „Experten“ dieser Art, die so argumentieren verkennen zum Ersten, daß das in den Mittelpunkt stellen der Interessern des Geschädigten nicht eine konsequente Strafverfolgung ausschließt und vor allem wissen diese zum Zweiten oft nicht über die zivilrechtlichen Folgen solcher Straftaten und die daraus resultierenden zivilrechtlichen Ansprüche Bescheid, welche nicht unerheblich sind. (vgl. Der Verdienstentgang nach ABGB unter Berücksichtigung der Judikatur des OGH)
 
Diese zivilrechtlichen Ansprüche sind ein äußerst scharfes Schwert und eine äußerst wirksame Sanktion.
 
Bei einer entsprechenden Ausgestaltung des Verjährungsrechts im ABGB und somit einer entsprechenden zivilgerichtlichen Verfolgbarkeit der gegebenen Ansprüche gegenüber dem Straftäter, bzw. dem jeweils Beklagten und aller der hinter diesem stehen Organisationen (vgl. Die zivilrechtlichen Schadenersatzansprüche der Mißbrauchsopfer), zu welchen insbesondere die Religionsgesellschaften zählen und auch der Staat selbst, wird sich der gewünschte rechtspolitische Erfolg ziemlich bald einstellen, denn diese Ansprüche sind eine gewaltige und signifikante wirtschaftliche Belastung. Die gesellschaftlich Signalwirkung wir daher auch entsprechend sein.
 
Derzeit ist das Zivilverfahren eine Art Ergänzung zum Strafverfahren. In Wahrheit sollte das Gegenteil der Fall sein. Der Staat sollte den Geschädigten bei seinem Bestreben zu seinem Recht zu kommen unterstützen und nicht seinen Strafanspruch in den Mittelpunkt des rechtlichen Geschehens stellen und den Geschädigten darüber hinaus noch behindern, gerichtlich Hilfe in Anspruch zu nehmen. (vgl. Die Verjährung als Einwand des Beklagten) Man sollte daher die gesamte Orientierung in Bezug auf das Strafverfahren aufgeben und sich vermehrt auf das Zivilverfahren und auf die Ausgestaltung des Zivilrechts konzentrieren, dann wäre man im Opferschutzschutz schon ganzes Stück weiter um nicht zu sagen am Ziel.
 
Wien, am 15.11.2019
RA Dr. Roman Schiessler
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