Blog 0052 - Fluchthilfe für Sexualverbrecher
Blogs >>> > klerikaler Mißbrauch
Fluchthilfe für Sexualverbrecher – relevante Unterschiede
Wie allgemein bekannt ist der Doppelolympiaseiger im Judo, Peter Seisenbacher, Beschuldigter in einem Strafverfahren vor dem LG für Strafsachen Wien in Bezug auf sexuellen Mißbrauch Minderjähriger. (vgl. Peter Seisenbacher und die Justiz)
Bemerkenswert ist nun, daß der Judoverband an sich oder ein bzw. einzelne Funktionär(e) desselben, nunmehr wegen Begünstigung belangt wird bzw. werden. Dies bedeutet, daß sie einem Beschuldigten, hier Peter Seisenbacher, in einem Strafverfahren dabei geholfen haben, sich diesem Strafverfahren, der Strafverfolgung zu entziehen.
Der Tatbestand (§ 299 StGB, Begünstigung) ist definiert wie folgt: (Zitat)
„(1) Wer einen anderen, der eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen hat, der Verfolgung oder der Vollstreckung der Strafe oder vorbeugenden Maßnahme absichtlich ganz oder zum Teil entzieht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
(2) Wer einen anderen dazu verleitet, ihn zu begünstigen, ist nach Abs. 1 nicht zu bestrafen.
(3) Nach Abs. 1 ist ferner nicht zu bestrafen, wer die Tat in der Absicht begeht, einen Angehörigen zu begünstigen oder zu verhindern, daß er selbst wegen Beteiligung an der strafbaren Handlung, derentwegen der Begünstigte verfolgt wird oder eine Strafe oder vorbeugende Maßnahme an ihm vollstreckt werden soll, bestraft oder einer vorbeugenden Maßnahme unterworfen werde.
(4) Wer eine der im Abs. 1 mit Strafe bedrohten Handlungen begeht, um von sich oder einem Angehörigen Schande oder die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder eines unmittelbaren und bedeutenden vermögensrechtlichen Nachteils abzuwenden, ist nicht zu bestrafen, wenn die Folgen, die durch die Tat abgewendet werden sollten, auch unter Berücksichtigung der Gefährlichkeit des Begünstigten und der Schwere der Tat, die der Begünstigte begangen hat oder derentwegen er verurteilt worden ist, schwerer gewogen hätten als die nachteiligen Folgen, die aus der Tat entstanden sind oder hätten entstehen können.“
Entscheidend dabei ist, daß es sich um eine begangene Straftat handeln muß, welche bei der Begünstigung gegeben sein mußte, um den Straftatbestand zur Anwendung zu bringen. Eine Beteiligung an der Straftat (vgl. unten) selbst darf nicht mehr möglich sein. Eine Begünstigung in eigener Sache oder von Mittätern ist rechtlich nicht möglich.
Sollte es hier somit zu einer Verurteilung des Peter Seisenbacher kommen, dies in einem Strafverfahren, welches hoffentlich nach den Regeln des Art. 6 EMRK abläuft und sich das begünstigende Verhalten des jeweiligen Judofunktionärs bestätigen, wird dies eine Verurteilung nach dieser Bestimmung zur Folge haben.
Die Frage ist, wie sich das Verhalten der katholischen Kirche und ihrer Funktionäre dazu verhält, welche ebenfalls Fluchthilfe für Sexualverbrecher geleistet haben und auch immer noch leisten. Findet hier diese Bestimmung Anwendung oder kommt es zur Anwendung anderer rechtlicher Bestimmungen und wo liegen die relevanten Unterschiede, wenn dies der Fall ist? (vgl. § 12 StGB - Beitragstäterschaft)
Ausgehend vom allgemeinen Strafrecht ist hier die Beitragstäterschaft zu diskutieren.
Zitat:
„§ 12 StGB Behandlung aller Beteiligten als Täter
Nicht nur der unmittelbare Täter begeht die strafbare Handlung, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, sie auszuführen, oder der sonst zu ihrer Ausführung beiträgt.“
Wie sich schon aus der Überschrift dieser Bestimmung des allgemeinen Strafrechts ergibt, werden alle Beteiligten als Täter behandelt, welche daher grundsätzlich alle das gleiche Unrecht verwirklichen.
Dies ist gleich zu Beginn der wesentliche Unterschied zur Begünstigung. Der Straftäter verwirklicht hier nicht das eigentliche Unrecht der ursprünglichen strafbaren Handlung, sondern verwirklicht ein eigenes Unrecht, nämlich das der Begünstigung und beteiligt sich daher nicht an der Straftat selbst. Bei der Begünstigung handelt es sich daher auch nur um eine Vergehen (§ 17 StGB) und nicht um ein Verbrechen, wie beispielsweise bei § 206ff StGB. Der Strafrahmen ist somit eine ganz anderer.
Dies ist auch der wesentliche Unterschied zu dem Verhalten, welches in der katholischen Kirche festzustellen ist und bei deren Funktionären. Hier handelt es sich klar um eine Beteiligung an dem Sexualverbrechen selbst, wenn Sexualstraftaten begehende Priester weltweit und länderübergreifend versetzt werden, um sie der Strafverfolgung zu entziehen. Es handelt sich hier um ein Vorgehen in der katholischen Kirche, welches allgemein bekannt ist und somit auch dem Straftäter und diesen daher in seinem Vorsatz in Bezug auf die eigentliche Straftat bestärkt und diesem auch die Sicherheit gibt, diese unmittelbar zu verüben. Er kann sich ungestört der Ausübung der Straftat widmen, ohne Angst zu haben von der Justiz oder den Strafverfolgungsbehörden belangt zu werden.
Bei der Begünstigung ist dies nicht der Fall. Hier ist demjenigen, welcher sich der Begünstigung schuldig gemacht hat, die Straftat selbst im Vorfeld nicht bekannt, jedenfalls besteht keine Verbindung zu dieser Straftat und kann sich dieser daran auch nicht beteiligen, wodurch es ihm auch nicht möglich ist, dieses Unrecht selbst zu verwirklichen.
Aus dieser Konstellation folgt daher ferner, daß es in der katholischen Kirche eben nicht nur unmittelbare Täter gibt, sondern auch Beitragstäter in Bezug Sexualverbrechen begangen an Minderjährigen. Dies ist auch der wesentliche Unterschied zu dem hier vorliegend Fall im Rahmen des Judoverbandes.
Interessant ist nur, daß nirgendwo in den Medien oder seitens der Strafverfolgungsbehörden in dieser Richtung berichtet bzw. vorgegangen oder gar ermittelt wird. Die Beitragstäterschaft in der katholischen Kirche wird noch weit mehr totgeschwiegen als die unmittelbare Täterschaft selbst, vor allem auch deshalb, da davon überwiegend die oberen Chargen des Klerus betroffen sind, welche dies organisieren. Somit bleibt der klerikale Wanderzirkus von Sexualverbrechern bzw. Pädokriminellen in der katholischen Kirche rechtlich und gesellschaftlich immer unaufgearbeitet und kann munter weiter durchgeführt werden, dies weltweit, länderübergreifend und seit Jahrhunderten.
Wien, am 01.12.2019
RA Dr. Roman Schiessler