Blog 0057 - §§ 129 und 130 StG 1852 und Klaus Oberndorfer - RA Dr. Roman Schiessler

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Blog 0057 - §§ 129 und 130 StG 1852 und Klaus Oberndorfer

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§§ 129 und 130 StG 1852 und Klaus Oberndorfer

Bis zu den Reformen der Jahre 1971 und 1975 galt in Österreich das Strafgesetz von 1852 mit den dort festgelegten Bestimmungen über das Sexualstrafrecht.
 
Dieses Strafgesetz (St.G.) über Verbrechen, Vergehen und Uebertretungen wurde mit 01.09.1852 in Kraft gesetzt und galt bis eben zu der Reformgesetzgebung bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts.
 
Konkret von Bedeutung sind hier die Bestimmung über die gleichgeschlechtliche Unzucht wider die Natur, welche in den §§ 129 und 130 StG 1852 entsprechend unter Strafe gestellt wurde.
 
Konkret lauteten die Bestimmungen wie folgt: (Zitat)
 
"§. 129.
 
Als Verbrechen werden auch nachstehende Arten der Unzucht bestraft:
 
I. Unzucht wider die Natur, das ist
 
a) mit Thieren;
b) mit Personen desselben Geschlechts.
 
§. 130. Strafe.
 
Die Strafe ist schwerer Kerker von einem bis zu fünf Jahren. Wenn sich aber im Falle der lit. b) eines der im §. 125 erwähnten Mittel bedient wurde, so ist die Strafe von fünf bis zu zehn Jahren, und wenn einer der Umstände des §. 126 eintritt, auch die dort bestimmte Strafe zu verhängen."
 
Es ist natürlich klar, daß diese Bestimmungen heute keine aktuelle Bedeutung mehr in der Rechtsprechung finden, es ist aber festzuhalten, daß es immer noch Personen gibt, welche unter uns leben, die auf Grund dieser Tatbestände verurteilt worden sind.
 
Dies allein wäre noch irgendwie verständlich und auch zu verkraften, da sich der moralische Kodex einer Gesellschaft nun einmal verändert und sich danach auch die Rechtslage richtet und sich in der Folge dann auch anpaßt.
 
Völlig inakzeptabel ist es aber, wenn es Verurteilungen nach diesen Bestimmungen gibt, welche dazu dienten Mißbrauchstaten an Minderjährigen zu verschleiern und um auf diese Weise es zu vermeiden, daß das eigentliche dahinter stehende, in der Regel klerikale Sexualverbrechen zu Tage tritt.
 
Konkret handelt es sich um eine Entscheidung des Landesgericht Salzburg vom 30.10.1970 in der ein nicht einmal 18-jähriger, mißbraucht durch einen Kleriker seit seinem 11. Lebensjahr wegen einer solchen Unzuchtshandlung strafrechtlich belangt und auch nach §§ 129  1b verurteilt wurde.
 
Der Hintergrund war aber nicht ein homoerotisches Bedürfnis des nach dieser Entscheidung verurteilten Jugendlichen, sondern ein jahrelanges Martyrium eines sexuell mißbrauchten jungen Menschen.
 
Hinzu kommt, daß solche Verurteilungen bis heute Bestand haben und niemand auf die Idee kommt, solche Gerichtsentscheidung zu revidieren und außer Kraft zu setzen um so eine Rehabilitierung des Betroffenen herbeizuführen.
 
Dies beweist wiederum, daß in diesen Fällen der Klerus und der Staat zusammengewirkt haben und man aufgrund dessen auch heute kein Interesse hat, solche gerichtlichen Entscheidungen einer entsprechenden Aufarbeitung zuzuführen. (vgl. Die klerikale und staatliche Bagatellisierung)
 
Der hier Betroffene, Herr Kaus Oberndorfer, wurde mit Euro 15.000 von der Klasnic-Kommission abgespeist, erhält eine Heimopferrente in der Höhe von rund Euro 300 und bezieht eine Invaliditätsrente.
 
Ein Wiederaufnahmeverfahren vor dem Landesgericht Salzburg wurde ferner 2010 abgewiesen. Allein daran ist bzw. wäre leicht zu erkennen, welche große persönliche Bedeutung diese an sich rechtlich bedeutungslose, da bereits getilgte Entscheidung für den Betroffenen bzw. Verurteilten hat. Auf die Idee justizintern aufgrund dessen - offensichtliche Bedeutung für den Verurteilten - eine außerordentliche Wideraufnahme in dieser Strafsache gemäß § 362 StPO anzuregen und vielleicht die Generalprokuratur zu bemühen ist man, jedenfalls bislang, noch nicht gekommen.
 
Man hätte sich aber dann unter Umständen innerhalb der Justiz auch mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen gehabt und das ist offenbar für gewisse Herrschaften in diesem Teil der öffentlichen Verwaltung nicht vorstellbar. Es könnte aber vielleicht auch ganz einfach daran liegen, daß seit 1990 eine Frau Dr. Brigitte Bierlein, jetzige Bundekanzlerin, in dieser Zeit als Generalanwältin in der Generalprokuratur beim OGH tätig war und daher ein Vorgehen nach dieser Bestimmung in einer solchen Sache generell ausgeschlossen ist. Von einer entsprechenden Einstellung auch der anderen Mitglieder in dieser Einrichtung kann ebenfalls ausgegangen werden.
 
Eines zeigt dieser Fall aber eindeutig. Es ist nicht zu erwarten, daß sich in der Justiz irgendetwas ändert, wenn es nicht einmal möglich ist, solche Verurteilungen, wie hier beschrieben, aus dem Rechtsbestand zu beseitigen, dies obwohl man weiß bzw. jetzt jedenfalls wissen sollte und müßte, was alles an Geschehnissen seitens der Kirche und auch des Staates zu verantworten sind.
 
Wenn sogar Mißbrauchsgeschädigte strafrechtlich verurteilt wurden, um Mißbrauchshandlungen von Klerikern im Verborgenen zuhalten ist das an Verkommenheit kaum noch zu überbieten, insbesondere, wenn sie im 21. Jahrhundert noch immer aufrecht erhalten werden.
 
Ferner handelt es sich bei der Strafbestimmung des § 129 1a und 1b StG 1852 darüber hinaus noch um einen sogenannten alternativen Mischtatbestand, welcher diese beiden Tatbestände als rechtlich gleichwertig ausweist und somit die sogenannte Unzucht mit Thieren und Personen desselben Geschlechts als gleiches strafwürdiges Unrecht ansieht. Welche persönlichen Auswirkungen allein auch diese Tatsche auf den Betroffenen hat, kann sich jeder selbst ausmalen. Die damit verbundene Menschenachtung ist mehr als evident.
 
Es wäre daher höchst an der Zeit sich einmal mit der Situation des Betroffenen bzw. hier Verurteilten auseinanderzusetzen und solche Entscheidungen der Justiz zu beseitigen auch wenn sie bereits getilgt sind und konkret rechtlich keine Auswirkungen mehr haben. Wenn hierfür vielleicht auch gesetzlich Maßnahmen erforderlich sind, wären diese natürlich ebenfalls zu treffen. Hier wäre aber das Parlament gefordert, welches bislang ebenfalls in dieser Angelegenheit nicht gerade durch eine übertriebene Aktivität aufgefallen ist.
 
Wien, am 22.12.2019
RA Dr. Roman Schiessler
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