Blog 0041 - Gewaltschutzgesetz 2019 - RA Dr. Roman Schiessler

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Blog 0041 - Gewaltschutzgesetz 2019

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Gewaltschutzgesetz 2019

Wie bereits allgemein bekannt sein dürfte, ist eines der wesentlichen Probleme der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche die Frage der Verjährung. (vgl. Die Verjährung als Einwand des Beklagten)
 
Der Gesetzgeber hat nunmehr im angeführten Gesetzespaket folgende Regelung in Aussicht genommen und ist davon auszugehen, daß diese auch so beschlossen wird:
 
Artikel 3
Änderung des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuchs
 
Das Allgemeine bürgerliche Gesetzbuch, JGS Nr. 946/1811, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 100/2018, wird wie folgt geändert:
 
1. In § 211 Abs. 2 wird das Zitat „§§ 382b und 382e EO“ durch das Zitat „§§ 382b, 382e und 382g EO“ ersetzt.
 
2. Dem § 1489 werden folgende Sätze angefügt:
 
„Die Frist nach Satz 2 zweiter Fall endet nicht vor dem Eintritt der Verjährung der Strafbarkeit, frühestens jedoch ein Jahr nach der rechtskräftigen Beendigung eines vor Eintritt der Strafbarkeitsverjährung eingeleiteten Strafverfahrens. Bei Ansprüchen wegen Verletzung der sexuellen Integrität und Selbstbestimmung beginnt die Verjährungsfrist erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres des Opfers.“
 
3. § 1503 wird folgender Abs. 13 angefügt:
 
„(13) § 211 Abs. 2 in der Fassung des Gewaltschutzgesetzes 2019, BGBl. I Nr. xx/2019, tritt mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. § 1489 in der Fassung dieses Bundesgesetzes tritt mit 01.01.2020 in Kraft und ist auf alle Schadenersatzansprüche anzuwenden, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt sind.“
 
Vorweg ist dazu festzuhalten, daß praktisch sämtliche Mißbrauchs- und Vergewaltigungsfälle innerhalb der katholischen Kirche zu Lasten von Kindern und Minderjährigen im Rahmen von Vertragsverhältnissen in Bezug auf Privatschulen, insbesondere in Internaten oder Kinderheimen stattgefunden haben. Auch in dem sich bereits in Geltung befindlichen Heimopferrentengesetz, geht der Gesetzgeber grundsätzlich davon aus. Es sind somit praktisch ausschließlich vertragliche Haftungen, welche hier platzgreifen und welche auch dem jeweiligen Betroffen eine realistische Aussicht auf eine effektive Durchsetzung eines Schadenersatzanspruches bringen würden. Nur der jeweilige kirchliche Rechtsträger hinter der jeweiligen schulischen oder erzieherischen Einrichtung, in welcher der Übergriff begangen wurde, somit beispielsweise eine Diözese, ein Orden oder ein Stift, wäre bzw. ist in der Lage, den Schaden wirklich wirtschaftlich zu tragen und wäre bzw. ist in der Folge der Kläger auch in der Lage, diesen exekutiv durchzusetzen.
 
Dasselbe gilt auch für Amtshaftungsansprüche gegenüber dem Staat, welche insbesondere im schulischen Bereich von Bedeutung sind, wenn der, insbesondere klerikale Sexualstraftäter als Lehrer tätig war und somit als Organ im Sinne des § 1 AHG zu bezeichnen ist. Gemäß § 6 Abs.1 AHG verjährt ein Amtshaftungsanspruch ebenfalls nach 3 Jahren ab Kenntnis des Schadens. Dies ist im Prinzip die gleiche Regelung wie bei einem normalen Schadenersatzanspruch gem. § 1489 ABGB. Die objektive Frist ist darüber hinaus auf 10 Jahre verkürzt. Nicht einmal darauf hat die neue Bestimmung einen Einfluß bzw. hat der Gesetzgeber darauf Rücksicht genommen. Beim Amtshaftungsgesetz hat man aus guten Gründen gefließentlich ebenfalls keinerlei Änderungen vorgenommen und alles belassen, wie es derzeit ist. Die Gründe hierfür sind klar. (vgl. Die zivilrechtlichen Schadenersatzansprüche der Mißbrauchsopfer)
 
Diese hier vorgenommene Verlängerung der Verjährungsfrist, verlängert daher nur die Frist für die deliktische Haftung, also der Haftung, welche den mißbrauchenden oder vergewaltigenden Kleriker selbst ad personam trifft. Diese Haftung ist aber wirtschaftlich für den Kläger, somit für das Opfer sinn- und wertlos, da dieser Kleriker niemals über die Mittel verfügt, um den Schaden, welchen er angerichtet hat, auch wirtschaftlich zu tragen und kommt ferner rechtlich bei klerikalem Lehrpersonal schon dem Grunde nach amtshaftungsrechtlich (vgl. oben) nicht zum Tragen.
 
Bei Vertagsverhältnissen haftet aber derjenige, welcher einem anderen zu einer Leistung verpflichtet ist für das Verschulden seiner Leute, wie für sein eigenes.
 
§ 1313a ABGB: (Zitat)
 
„Wer einem andern zu einer Leistung verpflichtet ist, haftet ihm für das Verschulden seines gesetzlichen Vertreters sowie der Personen, deren er sich zur Erfüllung bedient, wie für sein eigenes.“
 
Kommt es somit bei der Erfüllung eines Vertrages zu einem Fehlverhalten der Mitarbeiter des Auftragnehmers, somit der schulischen oder erzieherischen Einrichtung, haftet der Rechtsträger, somit konkret die jeweilige kirchliche juristische Person, das Stift, der Orden oder die Diözese, für das Verschulden seiner Mittarbeiter (z.B. Priester) bei der Schlechterfüllung des Vertrages, daher auch für den Mißbrauch und die Vergewaltigung der dieser Einrichtung anvertrauten Minderjährigen.
 
Einfach formuliert, ein Chef haftet für einen Schaden, welcher im Rahmen der Erfüllung eines Vertragsverhältnisses durch seine Mitarbeiter verursacht wurde so, als hätte er den Schaden selbst verursacht. Schließlich profitiert er auch von der Arbeitsleistung und der Tätigkeit seiner Mitarbeiter.
 
Dies will man aber offenbar der katholischen Kirche soweit wie möglich ersparen und da kommt einem, hier dem Gesetzgeber, das Verjährungsrecht gerade richtig.
 
Genau aber diese allgemeine Bestimmung des Privatrechts, welche bei allen Verträgen in der privaten Wirtschaft zur Anwendung kommt, ignoriert die neue Verjährungsbestimmung des § 1489 ABGB. Es wird nur die Verjährungsfristfrist für die deliktische Haftung des Sexualstraftäters selbst verlängert, die vertragliche Haftung des dahinter stehenden kirchlichen Rechtsträgers bleibt verjährungsrechtlich völlig unberührt.
 
Auch ist es völlig unsachlich, die zivilrechtliche Verjährungsfrist inhaltlich mit der strafrechtlichen Verjährungsregelung zu verknüpfen und nicht eigenständig zu regeln. Es macht überhaupt keinen Sinn, gleichsam die zivilrechtliche Haftung als Anhängsel des Strafrechts zu sehen und so dem Zivilrecht die eigenständige Bedeutung abzuerkennen. Dies führt auch zu der hier aufgezeigten Unsachlichkeit und schlußendlich zu einer weiteren Schädigung des Schadenersatzberechtigten selbst.
 
Es ist aber jedenfalls davon auszugehen, daß diese Zusammenhänge denjenigen Personen bekannt sind, welche für diese Gesetzesnovelle verantwortlich sind. Man kann sich daher des Eindrucks nicht erwehren, daß dies, der strafrechtliche Fokus, mit einem gewissen Kalkül so gestaltet wurde, um im Endeffekt das gesamte kirchliche Vermögen zu schonen, so vom eigentlichen Problem der zivilrechtlichen Anspruchsverfolgung abzulenken, um das kirchliche Vermögen für den gesamten Klerus abzusichern und so die Betroffen kirchlicher Gewalt weiter zu schädigen.
 
Dieser Novelle liegt offenbar der Gedanke zugrunde, den betroffenen Schadenersatzberechtigten ganz bewußt wirtschaftlich völlig wertlose Ansprüche zur Verfügung zu stellen. Politisch kann aber dann immer sagen, daß man doch irgendetwas gemacht hat, in Hoffnung, daß das Spiel kein Mensch durchschaut. Mehr an Perfidie ist kaum vorstellbar, insbesondere bei dieser Sachlage.
 
Auch die Übergangsbestimmung des § 1503 Abs. 13 ABGB, welche einen Ausschluß der Rückwirkung der Verlängerung noch ergänzend vorsieht,  läßt keinen anderen Schluß zu. Es ist verfassungsrechtlich ohne weiteres zulässig, verjährte Forderungen, somit Naturalobligationen (vgl. Die Naturalobligation), rückwirkend für gerichtlich durchsetzbar zu erklären. Art. 7 EMRK gilt nur für den Bereich des Strafrechts. Gerade für Schadenersatzansprüche, welche auf der hier gegenständlichen Grundlage beruhen, gibt es keinerlei verfassungsrechtliche Hindernisse, dies auch so, somit rückwirkend, zu normieren.
 
Der Gesetzgeber und sämtlich Personen, welche für diese Bestimmungen verantwortlich sind, setzen den Kampf gegen die Mißbrauchsopfer daher ungehindert fort und unterstützen den klerikalen Mißbrauch von Minderjährigen in jeder nur erdenklichen Form, insbesondere dadurch, daß man sie mit ihren Schadenersatzansprüchen wirtschaftlich ins Leere laufen läßt und somit auch ins offene Messer. Denn wird einmal doch geklagt, dann wird von dem jeweiligen Priester praktisch nichts zu holen sein. In der Folge bleibt der Kläger dann noch auf seinen Verfahrenskosten sitzen. Unter Umständen wird der belangte Priester dann noch in den Laienstand versetzt und verbessert sich dadurch nicht unbedingt die wirtschaftliche Situation des Priesters selbst.
 
Es wird in Zukunft somit weiter nicht möglich sein, zivilrechtlich effektiv gegen Kleriker vorzugehen, welche sich an Minderjährigen vergreifen, da vor allem gegen die klerikalen Einrichtungen, wo das Vermögen der Kirche zu finden ist, nicht bzw. nicht effektiv vorgegangen werden kann. Die prozessualen Risiken sind jedenfalls enorm. Es braucht sich dann aber auch niemand zu wundern, wenn dies alles weiterhin passiert, vor allem dann, wenn der Skandal aus den Medien wieder verschwunden ist.
 
Strafrechtlich geschieht ohnehin nichts. Über 2100 Straftaten, welche an der Justiz völlig spurlos vorbeigegangen sind, beweisen dies eindrucksvoll. (vgl. Der Mißbrauchsskandal der Kirche - auch ein Skandal des Staates und der Justiz?)
 
Wien, am 24.09.2019
RA Dr. Roman Schiessler
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