Blog 0029 - Eine Österreichische Familiengeschichte von Wiedergutmachung - RA Dr. Roman Schiessler

Rechtsanwaltskammer
Rechtsanwalt Dr. Roman SCHIESSLER
Direkt zum Seiteninhalt

Blog 0029 - Eine Österreichische Familiengeschichte von Wiedergutmachung

Blogs >>> > klerikaler Mißbrauch
Eine Österreichische Familiengeschichte von Wiedergutmachung

Es ist die Familiengeschichte von Sepp Rothwangl, dem Obmann der Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt.
 
Seine Großmutter mütterlicherseits war einige Jahre in der Anstalt für Geisteskranke „Feldhof“ bei Graz (heute LSF) untergebracht. Die psychische Behinderung entstand auf Grund einer Kopfverletzung nach einem Sturz über eine Kellerstiege aufgetreten. Am 27./28. Mai 1940 wurde sie von Graz nach Niedernhart (heute Landes-Nervenklinik Wagner-Jauregg) transferiert und ist wenige Tage danach durch die Aktion T4 (Tarnkürzel für NS-Euthanasie Programm) als eines der ersten NS-Opfer in Hartheim mit der Begründung der „Vernichtung lebensunwerten Lebens“ ermordet worden. Die Ermordung erfolgte mit Kohlenmonoxid aus den Auspuffgasen eines speziell umgebauten Lastwagens in dem sich die Opfer befanden. Eine gefälschte Sterbenachricht gibt an, sie sei am 13. Juni 1940 in der Landespflegeanstalt Brandenburg an der Havel (westlich von Berlin) durch eine septische Angina verstorben.
 
Ihr Mann, der Großvater von Sepp Rothwangl hat sich erhängt, nachdem er eine fingierte Todesnachricht erhielt, da er offensichtlich dies nicht verkraftete. Im Endeffekt hat Herr Sepp Rothwangl beide Großeltern durch ein totalitäres Regime verloren.
 
Er selbst wurde als minderjähriger Schüler des Marieninstituts in Graz sexuell bedrängt, missbraucht und auch misshandelt. Es kam zu der üblichen Vorgangsweise: zuerst kam der Missbrauch und dann wurde gleichsam der Zögling, von dem das Internat leitenden Pater im Beisein des pädokriminellen Präfekten, zur Verantwortung gezogen, in dem man ihm klarmachte, daß er solche Vorkommnisse schlichtweg nicht zu thematisieren und für sich zu behalten habe. Dies nachdem er die Übergriffe gemeldet hatte. Im Übrigen wurde ihm gesagte, dass er sich das alles nur einbilde.
 
Als Konsequenz folgten dann Schikanen und Ausgrenzung. Ihm wurde untersagt nach Hause zu fahren, um vielleicht dort sich mit seiner Mutter auszusprechen. Es musste jedenfalls unter allen Umständen verhindert werden, dass irgendetwas nach außen dringt um den Anschein zu wahren. Man veranstaltete somit eine Strafaktion zu Lasten des Kindes, um das Opfer zum Täter zu machen. Auf die psychischen Folgen solcher Taten nahm man keine Rücksicht; im Übrigen bis heute nicht.
 
Wie perfide man vorging zeigt sich weiter daran, dass der damals für die Erziehung zuständige Präfekt, der unmittelbare Täter, während der Zeit des Heimfahrverbotes bei der Mutter des Opfers zu Besuch war und sich entsprechend zuvorkommend verhielt. Die Mutter betrieb damals einen Gasthof. Dadurch wurde bewirkt, dass die Mutter in keinem Fall ihrem Sohn mehr glauben würde, wenn dieser erzählt, was ihm widerfahren war. Erleichtert wurde diese Vorgehensweise noch dadurch, dass die Mutter alleinerziehend war, da der Vater von Sepp Rothwangl verstarb, als dieser sieben Jahre alt war.
 
Die in der Folge positiven Äußerung der Mutter über den Präfekten, welcher ihr eigenes Kind missbraucht hatte, zogen dem damals minderjährigen Sepp Rothwangl abermals den Boden unter den Füßen weg.
 
Die Mutter sparte sich die Internatskosten gleichsam vom Mund ab und als Gegenleistung hierfür missbrauchte man ihr Kind und manipulierte sie so sehr, dass von vornherein jedes Vertrauensverhältnis zwischen Mutter und Kind zerstört wurde. Mehr an krimineller Energie ist kaum noch vorstellbar.
 
Allein daran erkennt man, mit welcher ausgeklügelten und perfiden Strategie hier in solchen Fällen seitens der Kirche und deren Mitglieder vorgegangen wurde. Dies lässt auch den Schluss zu, dass es sich nicht nur um einzelne Fälle handelte und handelt, sondern um ein Vorgehen, welches vollinhaltlich in der Kirche selbst gang und gäbe war. Bei derartigen Strategien kann es sich um keine Einzelfälle mehr handeln, sondern um ein systematischen Vorgehen um pädokriminelle Übergriffe zu verheimlichen um den Anschien zu wahren.
 
 
Schlussendlich hat der minderjährige Sepp Rothwangl seiner Mutter nichts von den Vorfällen erzählt und verlor den Rückhalt derselben und so wurde die Bindung zwischen dem einzigen noch verbliebenen Elternteil und Sepp Rothwangl auch noch torpediert. Man missbrauchte das Kind nicht nur, sondern man untergrub auch dessen familiäre Bindung; dies mit der eigenen Straftat.
 
Später stellte sich heraus, dass dieser Präfekt sich auch noch an anderen Buben vergangen hatte. Er wurde schließlich aus dem Internat entlassen, nachdem ihn ein Kindesvater in flagranti mit seinem Sohn erwischt hat. Weitere Folgen hatte dies aber für den Präfekten nie.
 
Folgen hatte dies nur für den Betroffenen selbst. Es traten in der Folge psychische Probleme auf, es folgten Aufenthalte in der Psychiatrischen Klinik in Graz, das Scheitern der Ehen und Selbstmordversuche.
 
Resümierend ist hier festzustellen, dass hier eine Familiengeschichte vorliegt, welche durch massive Straftaten gekennzeichnet ist. Straftaten, welche Teil systematischer Kriminalität waren, welche entweder von Kirche und  Staat selbst ausgingen oder vom Staat dadurch unterstützt wurden in dem man konsequent nichts dagegen unternahm. Weiters haben diese Straftaten gemeinsam: Es kam niemals zu irgendwelchen Entschädigungen, dies obwohl klar ist, dass es zu massiven Beeinträchtigen kam, welche eindeutig schadenersatzrechtlichen Folgen nach sich ziehen hätten müssen. Nichts dergleichen geschah.
 
Weder die Ereignisse im Rahmen des Nationalsozialismus noch diejenigen im Zusammenhang mit dem kirchlichen Missbrauchsgeschehnissen führten zur Anwendung von Schadenersatzrecht bzw. zu einer rechtsstaatlichen Aufarbeitung. Die derzeitige Verjährungsfrist von nur drei Jahren(!!!) im Zivilrecht bei Schadenersatzansprüchen gewährleistet diesen rechtsfreien Raum eindrucksvoll.
 
Stattdessen erfährt Sepp Rothwangl, dass Schicksale dieser Art zu politischen Diskussionen und Einrichtungen führen, in welchen es im Wesentlichen um die politische Deutungshoheit dieser Ereignisse geht. Die Betroffenen oder Opfer spielen hier nicht die geringste Rolle.
 
Am besten nachvollziehbar ist dies beispielsweise bei Einrichtungen wie dem Zukunftsfonds der Republik Österreich, der für die Aufarbeitung und Dokumentation der NS-Tötungsanstalt Hartheim zuständig ist und der sogenannten Klasnic-Kommission. Einrichtungen, welche gerade im Rahmen dieser Lebensgeschichte von Relevanz sind.
 
Beide Einrichtungen sind lediglich dazu da, um einzelnen Personen eine politische Bühne zur Selbstdarstellung zu geben und in beiden Einrichtungen finden sich dieselben Personen, wie Waltraud Klasnic, Kurt Scholz und Herwig Hösele, die einander die dort zu vergebenden Posten wechselseitig vermitteln.
 
Beim Zukunftsfonds der Republik Österreich werden ferner irgendwelche Forschungsprogramme zum Thema Nationalsozialismus, Toleranz und Diskriminierung abgearbeitet, im Rahmen der Klasnic-Kommission geht es lediglich darum, durch Gesten gleichsam gesellschaftspolitisch beruhigend zu wirken und um die Entschädigungszahlungen für die katholische Kirche so gering wie möglich zu halten. Vorhandene Rechte der Opfer im Bereich des Schadenersatzes (vgl. Der Verdienstentgang nach ABGB unter Berücksichtigung der Judikatur des OGH) finden da keine Berücksichtigung.
 
Man sieht in der Folge nur, wie Personen zwischen diesen Einrichtungen wechseln bzw. im Abtausch für die eine Position, andere Positionen erhalten und daß jedenfalls auch der klerikale Einfluss immer gewahrt bleibt. Ansonsten wird wenig bis gar nichts bewirkt. Es entwickelt sich eine Art Aufarbeitungs- und Bewältigungsindustrie in der es verschiedene Personen immer wieder verstehen, sich ins Szene zu setzen ohne irgendetwas für die Betroffenen, die Schadenersatzberechtigten zu bewirken. Im Wesentlichen geht es nur um die eigene Karriere und um Selbstdarstellung.
 
Man nimmt für sich in Anspruch eine Art Aufarbeitungs- und Bewältigungsmonopol zu besitzen für geschichtliche und/oder auch gegenwärtige Ereignisse, welche für eine Reihe von Personen massive persönliche Schäden nach sich gezogen haben. Die Geschädigten selbst spielen dabei aber keine Rolle. Sie sind Objekte dieser Selbstdarstellung Einzelner.
 
Entschädigungen für die Opfer gemäß den allgemeinen privatrechtlichen Bestimmungen gibt es jedenfalls keine. Dies ist insofern wesentlich, denn im anderen Fall würde auch ein Stück der Macht dieses Aufarbeitungs- und Bewältigungsmonopols, welches  man für sich beansprucht, aus der Hand gegeben wird. Die Macht und dieses Monopol reklamiert man ja für sich.
 
Sepp Rothwangl erhält derzeit eine Heimopferrente nach dem Heimopferrentengesetz (HOG) in der Höhe von Euro 300. Die Rentenkonstruktion als Entschädigungsmodel wurde offenbar deshalb gewählt, da man hofft, dass sich viele Fälle gleichsam biologisch durch Zeitablauf von selbst erledigen werden. Offiziell ist man natürlich um die Altersarmut besorgt.
 
Die Kirche wird aber weiter aufgrund von Vereinbarungen (vgl. Vermögensrechtliche Beziehungen Staat - Kirche) mit dem Vatikan mit Millionenbeträgen als „Schadenersatz“ für historische Ereignisse resultierend aus Zeiten Josefs II. und des Nationalsozialismus dauerversorgt und ausgehalten..
 
Hier werden jedenfalls keine Fragen der Verjährung bzw. Fragen nach den Grundlagen solcher „Schadenersatzansprüche“ in irgendeiner Form gestellt. Es wird der Standpunkt vertreten, dass es ich hier um Zahlungen handelt, welche der Kirche einfach zustehen. Was sich Gewaltopfer, wie hier beschrieben, dabei denken und was diesen zusteht, darüber macht man sich keine Gedanken.
 
Anhand der Lebensgeschichte von Sepp Rothwangl sollte jedem klar werden, worum es bei diesen Aufarbeitungs- und Bewältigungseinrichtungen eigentlich geht und welche Abscheu ein Betroffener dabei empfinden muss, wenn er wiederum durch den Staat selbst gezwungen ist, sich mit solchen Einrichtungen in Verbindung zu setzen ohne das Recht zu haben vor einem Gericht kraft eigener Rechtsposition seine Ansprüche einzuklagen. Unter dem Strich wird das kriminelle Verhalten, staatlich unterstützt, fortgesetzt.
 
Sepp Rothwangl ist bis zum heutigen Tag nicht in der Lage, bei der Klasnic-Kommission entsprechende Anträge zu stellen.
 
Wien, am 27.07.2019
RA Dr. Roman Schiessler
 
© Dr. Roman Schiessler (für den Inhalt verantwortlich)
Seitengestaltung F-SOFT
Besucherzaehler
Zurück zum Seiteninhalt