Blog 0030 - Dr. Schönborn und Mißbrauch - Referat RPP Institut - RA Dr. Roman Schiessler

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Blog 0030 - Dr. Schönborn und Mißbrauch - Referat RPP Institut

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Dr. Schönborn und Mißbrauch – Referat RPP Institut

Das RPP Institut - Institut für Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie – wurde 2009 ins Leben gerufen und befaßt sich gemäß eigener Definition mit den Beziehungen zwischen Religion und den psychologischen Wissenschaften, welche als traditionell schwierig und häufig von gegenseitigem Mißtrauen und Unverständnis geprägt dargestellt werden. Dies ist auch die Plattform für ein Referat von Dr. Schönborn, Erzbischof von Wien, zum Thema Mißbrauch in der Kirche.
 
Bemerkenswert dabei ist, daß man der Organisation, in welcher diese Taten begangen worden sind, eine solche Plattform zu Verfügung stellt. Die Seite der Betroffenen kommt dabei nicht zu Wort. Die sie hier nur am Rande erwähnt.
 
Er beginnt mit seinen Ausführungen über einen Mißbrauchsfall einer Ordensfrau vor rund 30 Jahren, welche angab, von ihrem Vater mißbraucht worden zu sein. Allein der Beginn ist bemerkenswert. Der heutige Erzbischof von Wien ist zum ersten Mal mit Mißbrauch konfrontiert durch einen Vorfall außerhalb der Kirche. Aufarbeitung in eigener Sache sieht anders aus.
 
Dies kann in Sachen Glaubwürdigkeit nicht ganz nachvollzogen werden, da wir wissen, daß klerikaler Mißbrauch, insbesondere an minderjährigen Buben seit Jahrhunderten (vgl. Die Verweltlichung der Kirche - ein Mythos) in der katholischen Kirche gelebt wurde und strukturell untern den Teppich gekehrt wurde und wird. (vgl. Alles nur eine Kampagne gegen die Kirche)
 
Er führt ferner aus, daß er 1991 aus der Schweiz nach Wien kam und zum Weihbischof geweiht wurde und in der Folge sich mit dem Groer Skandal konfrontiert sah.
 
Aus sein Ausführungen geht ferner hervor, daß es vor allem für das Opfer wichtig ist, daß diesem geglaubt wird und er daher einem Opfer von Pater und Kardinal Groer zusicherte, daß man ihm, insbesondere er selbst, auch glauben sollte und er selbst dies auch tut. Dasselbe gilt für den Fall Doris Wagner, einer früheren Ordensfrau, welcher er ebenfalls zusicherte, daß er ihr glaube.
 
Aus religiöser Sicht führt er dann ferner aus, daß Mißbrauch insbesondere dann stattfand bzw. stattfindet, im Fall geistlicher oder seelsorgerischer Begleitung, also bei der Ausübung des Glaubens selbst. Gerade diese Fälle bezeichnete er als für die Kirche (!) – nicht für das Opfer - besonders kritisch und auch gefährlich, da selbst Fundamente des Glaubens als Rechtfertigung bzw. Begründung für den Mißbrauch herhalten mußten.
 
Weiters nahm er Bezug auf einen im Vatikan tätigen Gerichtshof, welcher sich mit den delicta graviora (schwerwiegenderen Straftaten) in einem Bericht zu befassen hat und dem alle Mißbrauchsfälle auch gemeldet werden müssen.
 
Es handelt sich hier um keine vollständige Wiedergabe des Referats, aber dies reicht um entsprechende Schlußfolgerungen ziehen zu können.
 
Die Ausführungen sind geprägt von mehreren Grundsätzen:
 
  1. Die kirchlichen Mißbrauchsfälle sind eine innere Angelegenheit der Kirche. Die Kirche beansprucht für sich, diese Kriminalfälle unter Ausschluß der staatlichen Gerichtsbarkeit und des staatlichen Rechts aufzuarbeiten. Im gesamten Vortrag wurde nichts davon erwähnt oder nur der Ansatz einer Bereitschaft gezeigt sich den staatlichen Regeln und Institutionen - Gerichten - zu unterwerfen.
  2. Es gibt kein Wort zur Bereitschaft zum Leisten von Schadenersatz gemäß dem allgemeinen Privatrecht. Daß die Betroffen solcher Gewalttaten massive wirtschaftliche Schäden - nicht nur persönliche - davongetragen haben wird nicht einmal erwähnt. Man begnügt sich in diesem Zusammenhang mit Gesten. Dies obwohl man festhält, daß man an sich den Opfern glaubt, aber sofort im selben Atemzug wird festgehalten, daß solche Eingeständnisse keine gerichtliche Bedeutung nach sich ziehen.
  3. Auch die eigenen „gerichtlichen“ Einrichtungen im Vatikan sind zur Leistung finanzieller Schadenersatzleistungen offenbar nicht berufen. Was dort an verfahrensrechtlichen Schritten passiert und welche Entscheidungen hinsichtlich der angesprochenen delicta graviora ergehen, bleibt im Verborgenen. Offenbar eine Spezialität der katholischen Kirche seit Jahrhunderten.
  4. Betont wird dann noch das Bewältigungsmodell der Klasnic-Kommission, welche auf staatlicher Ebene viele weitere Nachfolgemodelle gefunden hat. Es wird aber nicht gefragt, wie diese Kommissionen bei den Betroffenen ankommen und auf welche Akzeptanz sie stoßen. Solche Ausführungen erscheinen völlig irrelevant. Wichtig ist nur, wenn auch nur unterschwellig zu betonen, daß sich Staat und Kirche einig sind, gemeinsam gegen die Betroffenen zu deren Nachteil vorzugehen.
  5. Wichtig erscheint jedenfalls alles zu tun, daß ein Gerichtszugang für die Betroffenen bzw. Schadenersatzberechtigten unter allen Umständen vermieden wird, jedenfalls so lange wie möglich und somit der Verjährungseinwand möglichst lange aufrecht bleibt. Die Verjährung ist es, welche als Schutzschild für das kirchliche Vermögen in Zeiten wie diesen dringend gebraucht wird.
  6. Festgehalten wird insbesondere, daß vor allem die Kirche und auch der Glaube bei den Mißbrauchsfällen Schaden nehmen. Betont wird somit, daß nicht die persönliche Integrität eines Menschen das Wesentliche bei solchen Mißbrauchsfällen ist, sondern der Glaube, die Religion, welche hier offensichtlich mißbraucht wird und nicht der betroffenen Mensch. Erwähnt werden in diesem Zusammenhang ausdrücklich vor allem Mißbrauchsfälle im Rahmen der Beichte. Es wird festgehalten, daß solche Vorgansweisen für die Kirche selbst sehr gefährlich sind und somit streng sanktioniert werden müssen. Wie man eine solche Prioritätensetzung vertreten kann, ist schlicht unerfindlich.
  7. Bezüglich des Falles Groer wird dann noch eine gesonderte Erklärung erwähnt, in welcher festgehalten wird, daß das Ansehen eines Kardinals nicht über dem Wohl von jungen Menschen stehen kann. Zu betonen ist, daß dies nur auf einen Kardinal zutrifft und nicht auf den Glauben, die Kirche oder bestimmte religiöse Einrichtungen wie beispielsweise die Beichte.
  8. Aus der Sicht eines Juristen ist dazu anzumerken, daß dieses RPP - Institut jedenfalls ein prozessuales Problem darstellt. Psychiater und Psychologen, welche mit dieser Einrichtung in Verbindung stehen, sind als Sachverständige in Prozessen mit einem Mißbrauchshintergrund, insbesondere im Zusammenhang mit der katholischen Kirche, auszuschließen. Die Unbefangenheit kann hier nicht gegeben sein.
 
Abschließend ist noch zu sagen, daß es Herr Dr. Schönborn doch noch für nötig hielt, sich noch mit der 68er-Bewegung auseinanderzusetzen, da auch insbesondere von päpstlicher Seite (Benedikt XVI.) immer wieder betont wurde, daß diese Bewegung die Verantwortung für die klerikalen Mißbrauchsfälle trägt.
 
Abgesehen davon, daß sich über die 68er-Bewegung immer trefflich streiten läßt und sich dafür, je nach politischem Standpunkt auch gute Gründe dafür finden lassen, ist die Tatsache, daß der klerikale Mißbrauch von Minderjährigen und der sich daraufhin anschließende Wanderzirkus von klerikalen Sexualverbrechern von einer Pfarre in die nächste, kaum auf diese politische Bewegung zurückzuführen. Diesen Unsinn klarzustellen, war Dr. Schönborn offenbar ein Bedürfnis. Ob dies aus innerer Überzeugung geschah oder deshalb, weil der offensichtliche Unsinn zu offensichtlich ist und somit die Schädlichkeit für die Kampagne in eigener Sache erkannt wurde, kann, darf und soll jeder für sich selbst beurteilen.
  
Wien, am 05.08.2019
RA Dr. Roman Schiessler
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