Blog 0034 - Die Rücktrittskultur des Christoph Schönborn - RA Dr. Roman Schiessler

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Blog 0034 - Die Rücktrittskultur des Christoph Schönborn

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Die Rücktrittskultur des Christoph Schönborn

Der Wiener Erzbischof veröffentlichte in einer Kolumne in der Gratiszeitung HEUTE folgende Gedanken über die Rücktrittskultur in diesem Land und im Allgemeinen.
 
Zitat:
 
„Rücktrittskultur
 
„Antworten“ von Kardinal Christoph Schönborn, in der Zeitung Heute, am Freitag, 6. September 2019.
 
Andreas Khol hat vor Jahren einmal gesagt, Österreich habe „eine unterentwickelte Rücktrittskultur“. Stimmt das heute noch? Wann ist der richtige Moment zurückzutreten? Wann muss es sein? Und warum geschieht es oft erst dann, wenn der Druck der Öffentlichkeit es unausweichlich macht? Der „Ibiza-Skandal“ hat eine Serie von Rücktritten ausgelöst, bis hin zur Auflösung einer ganzen Regierung. Und immer wieder kommt es vor, dass jemand wegen verfehlter Äußerungen ein politisches Amt aufgeben muss.
 
Umso eindrucksvoller ist es, wenn ein Ski-Idol wie Marcel Hirscher zur besten Sendezeit im Fernsehen vor einem Millionenpublikum seinen Rücktritt vom aktiven Rennsport ankündigt. Er selber war dabei ruhig, lächelnd: „Es war wichtig, auf dem Höhepunkt aufzuhören und als Sieger zu gehen“. Marcel Hischer hat uns allen gezeigt, wie gute Rücktrittskultur aussieht.
 
Ein großes Vorbild dafür ist Papst Benedikt. Früher war es unvorstellbar, dass ein Papst zurücktritt. Er hat den Schritt getan, weil er klar gespürt hat, dass es der richtige Zeitpunkt ist. Einmal kommt für jeden von uns dieser Moment. Es geht ums Loslassen, wenn die Zeit gekommen ist. Gott gebe uns die Weisheit, es rechtzeitig zu erkennen.“ (Zitat Ende)
 
Eingangs wirft Christoph Schönborn eine Reihe von Fragen auf, welche er zur allgemeinen Beantwortung in den Raum stellt. Er stellt die Frage, wann der richtige Moment ist zurückzutreten, wann er sein muß und warum ein solcher Rücktritt geschieht. Ist der Rücktritt freiwillig oder erzwungen, geschieht er auf Druck der Öffentlichkeit oder ist er Ergebnis einer inneren Einkehr.
 
Wenn man geradezu solche philosophischen Fragen aufwirft, erhebt sich auch immer die Frage, wer diese Fragen aufwirft und verhält sich derjenige auch gemäß den sich darauf, aus seiner Sicht, ergebenen Antworten, wenn solche vorhanden sind.
 
Bei Christoph Schönborn handelt es sich um den Erzbischof von Wien und ist es daher nicht möglich alle diese Fragen nicht im Zusammenhang mit dem Mißbrauchsskandal zu sehen uns sein ganzes Handeln in diesem Kontext zu betrachten.
 
Aus der Sicht der Betroffenen kirchlicher Gewalt und den auch meinerseits mit diesen Menschen gemachten persönlichen Erfahrungen, wäre es für Christoph Schönborn an der Zeit, diese Fragen der Rücktrittskultur einmal mit seiner Person in Verbindung zu bringen. Dies gilt nicht nur für ihn selbst, sondern auch für eine Vielzahl weiterer Kleriker, welche im Rahmen dieses Skandals in der katholischen Kirche eine völlig inakzeptable Rolle gespielt haben und auch nicht nur für die unmittelbaren Täter von begangen Sexualverbrechen. (vgl. § 12 StGB - Beitragstäterschaft)
 
Da ein Rücktritt, gemäß den Ausführungen Schönborns, freiwillig sein sollte um moralisch entsprechend Anerkennung zu finden, muß er somit nach Ansicht des Autors Ergebnis eines eigenen Entschlusses, einer inneren Einkehr über sein eigenes Wirken und der eigenen Situation sein, in welcher man sich befindet. Es kann nicht erkannt werden, daß Christoph Schönborn, den von ihm selbst in seiner Kolumne aufgestellten Leitlinien in Sachen Rücktritt entspricht.
 
Der Rücktritt des Ski-Idols Marcel Hirscher ist diesbezüglich vorbildhaft, da er Ergebnis einer inneren Einkehr ist und Ergebnis einer Selbstreflexion, ohne daß man erkennen kann, daß von außen her ein Druck ausgeübt wurde, welcher vor allem mit negativen Begleitumständen verbunden ist bzw. war.
 
Eine solche Selbstreflexion hätte bei dem Autor dieser Kolumne schon längst zum Rücktritt führen müssen. Dies insbesondere aus folgenden Gründen:
 
  1. Allein das Verhalten bei Aufkommen des Mißbrauchsskandals im Rahmen der Affäre Groer war völlig inakzeptabel. Schönborn verteidigte diesen bis zu Letzt, dies obwohl dieser bereits wissen mußte, daß sexueller Mißbrauch in der katholischen Kirche weit verbreitet war und ist und somit die Anschuldigungen gegenüber Hans Hermann Groer wahrscheinlich als zutreffend anzusehen waren; dies bereits in einem frühen Stadium dieser Affäre. Ihm mußte bekannt sein, daß der sexuelle Mißbrauch von Minderjährigen eine weltweite Erscheinung in der katholischen Kirche ist und über Jahrhunderte zurückgeht. Christoph Schönborn war immer ein kirchlicher Intellektueller und lehrte sogar in der Schweiz an der Universität Freiburg als ordentlicher Professor katholische Dogmatik. Schon allein aufgrund dieser Position mußte ihm das räumliche und zeitliche Ausmaß dieses Skandals bekannt gewesen sein. Alles andere ist und wäre schwer vorstellbar. So gesehen hätte er sein Amt überhaupt nicht antreten dürfen, da er bereits vor seinem Amtsantritt sich für dieses Amt disqualifizierte.
  2. Der Aufbau einer Art Paralleljustiz in Form der Klasnic-Kommission unter Ausschaltung der staatlichen Rechtsprechung und Rechtslage tut sein Übriges. Es ist Ausdruck des Strebens der katholischen Kirche nach staatsgleichen Befugnissen und dem Anspruch nach weltlicher Macht, durchgesetzt mit jenseitigen Heilsversprechen. Ein geradezu mittelalterlicher Ansatz für eine Machtposition in einem Gemeinwesen des 21. Jahrhunderts.
  3. Es werden durch belangte Einrichtungen der katholischen Kirche rechtliche Befugnisse in Anspruch genommen, die mit der Verantwortung, welche diese trägt, nicht im Geringsten in Einklag zu bringen ist. Der eklatanteste Auswuchs dieser juristisch fundierten Übergriffe ist das Geltdenmachen des Verjährungseinwandes in einem Zivilprozess. Christoph Schönborn wird jetzt sagen, daß er innerkirchlich generell dafür nicht zuständig ist, da er ausschließlich für die Erzdiözese Wien verantwortlich ist, es ist jedoch anzumerken, daß dies in der Erzdiözese Wien ebenfalls so gehandhabt wird und der hier angesprochene Autor dieser Kolumne in der katholischen Kirche dieses Landes eine doch exponierte Stellung einnimmt und es ihm somit möglich wäre, bei entsprechender Einstellung, auch entsprechend Einfluß zu nehmen, damit dieses Unwesen unterbleibt..
 
Es handelt sich bei diesen hier aufgezählten Gründen für einen Rücktritt von Christoph Schönborn nicht nur um verfehlte politisch Äußerungen, wie dieser in seiner Kolumne schreibt, sondern um schwerwiegende Verfehlungen - dies jedenfalls aus der Sicht eines Betroffenen - welche sich noch dazu auf einem entsprechen intellektuellen Niveau befinden und somit durchdacht sind. Verfehlungen, welche real auf die Situation der schwer mißhandelten Menschen weitere, über den einzelnen Übergriff, die Sexualstraftat hinausgehende negative und gravierende Auswirkung haben.
 
Ob man hier auch von göttlicher Weisheit sprechen kann, darf bezweifelt werden, wobei davor noch geklärt werden muß, worum es sich bei der göttlichen Weisheit eigentlich handelt.
 
Resümierend muß daher gesagt werden, daß jeder, der solche grundlegenden Gedanken wälzt und solche Prinzipien aufstellt, muß sich zu allererst fragen, ob er selbst diesen entspricht. Aus der Sicht eines Betroffenen kirchlicher Gewalt kann dies getrost bei Christoph Schönborn verneint werden, wobei dieses Resümee  durchaus auch verallgemeinert werden kann. Christoph Schönborn ist somit nicht in der Position solche Fragen aufzuwerfen und ist ein Verhalten seinerseits, diesen Prinzipien entsprechend, auch nicht gegeben. Insoweit kann die eingangs gestellte Frage eindeutig beantwortet werden; dies im verneinenden Sinn.
 
Es ist dies nur wiederum ein weiterer absolut untauglicher Versuch eines klerikalen Funktionärs Verhalten anderer zu beurteilen, um sich zu einer moralischen Autorität aufzuspielen bzw. diese zur Schau zu stellen. Vergessen wird dabei aber, wie üblich, das eigene Tun und Handeln. (vgl. Der Papst und Kirche als Speerspitze gegen die Kinderprostitution)
 
Als dem von dem Autor als Vorbild in Sachen Rücktrittskultur bezeichneten Papst Benedikt wird aus Pietätsgründen gegenüber den Mißbrauchsopfern nicht weiter eingegangen.
 
Wien, am 07.09.2019
RA Dr. Roman Schiessler
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